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Kein Döner ist illegal

Am Montag entscheidet der Stadtrat von Heilbronn über eine Obergrenze für Dönerläden und andere Geschäfte, wie sie die dortige CDU fordert. Rechtlich ist die Lage ziemlich eindeutig

von Benno Stieber

Schulden-, Geflüchteten- oder Parteispenden-, von Obergrenzen ist derzeit viel die Rede in der Politik. Die „Dönerobergrenze“ hat Heilbronn allerdings exklusiv. Mit der Forderung der CDU-Stadtratsfraktion nach einer Begrenzung für Dönerläden hat es die Stadt in Baden-Württemberg seit dem Sommer bundesweit in die Schlagzeilen geschafft.

In ihrem Antrag, über den der Gemeinderat am kommenden Montag abstimmen soll, schreibt die CDU „ein Überangebot einseitiger gastronomischer Angebote und Dienstleistungen erzeugt eine negative Magnetwirkung“. Es gelte, die Innenstadt „vor der gefährlichen und wertvernichtenden Trading-Down-Spirale aus der gefürchteten ‚Fruchtfolge‘ Ein-Euro-Laden, Barbershop, Dönerbude, 24-Stunden-Automaten-Shop, Leerstand, steigende Kriminalität zu bewahren“.

Nun hat Heilbronn als große Stadt mit den Schwierigkeiten des Einzelhandels ebenso zu kämpfen wie viele andere Fußgängerzonen in anderen Großstädten. Dönerbuden sind jedoch keineswegs überrepräsentiert. Im Durchschnitt hat die Stadt sogar eine geringere Dichte dieser Imbiss­angebote als andere Städte in Baden-Württemberg, wie der SWR nachgerechnet hat.

Dass sich die CDU also ausgerechnet auf jenes beliebte Gericht versteift, das einst in Berlin erfunden wurde und das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) unlängst bei einem Staatsbesuch sogar in die Türkei mitbrachte, dahinter vermutet der Grüne Frak­tionschef Holger Kimmerle andere Motive.

Es gehe ja nicht nur um eine Obergrenze für Drehspießgrillfleisch und Herrenfriseure, eher darum, dass diese vorzugsweise von Menschen mit Migrationshintergrund betrieben würden, sagt Kimmerle. Zur Sitzung des Gemeinderats am kommenden Montag habe die CDU neben der Dönerobergrenze mal wieder den strittigen Moschee-Neubau und die Kürzung der Finanzmittel für die Antidiskriminierungsstelle auf die Tagesordnung gesetzt. Da machten „Teile der CDU-Fraktion eine Politik, die man sonst von der AfD kennt“, sagt Kimmerle. Es würde ein Sündenbock für Entwicklungen gesucht, für die jeder Konsument mitverantwortlich sei, der im Internet bestellt, statt den Einzelhandel in der Stadt zu konsultieren. Eine Entwicklung, die man wohl nicht mehr zurückdrehen könne, fürchtet Kimmerle. Schon gar nicht mit einem Verbot für bestimmte Läden, die immerhin von Jugendlichen frequentiert würden.

Dönerbuden sindin Heilbronn keineswegs überrepräsentiert

Zu den Vorwürfen würde man den CDU-Fraktionsvorsitzenden gerne befragen, doch der antwortet auf mehrfache Anfragen nicht. Stattdessen geht sein Vize mit Fernsehteams durch die Fußgängerzone und beteuert, dass er und seine Parteifreunde gar nichts gegen Döner an sich hätten. Mit dem Dönerverbot hat die CDU in Heilbronn schon im Frühsommer Wahlkampf gemacht. Für die Gemeinderatswahl im Juni hatte sie in ihrem Wahlprogramm erstmals die „Obergrenzen für Dönerläden, Barbershops, Nagelstudios“ formuliert.

Doch rechtlich ist das gar nicht so einfach, wie die Stadt in einem Gutachten darlegt. Die Stadt könne eigentlich nur bestimmte Nutzungsarten wie Imbissbuden oder Gastronomie als Ganzes einschränken. Um speziell Barbershops und Dönerbuden zu begrenzen, müssten sich diese Läden juristisch trennscharf von anderen Friseur­läden oder Fastfood-Ständen abgrenzen lassen. Das sei aber schwierig, heißt es in der Stellungnahme der Stadt, wenn in einem Barbershop im Wesentlichen die gleichen Leistungen ­erbracht werden wie beim Friseur oder wenn sich die „typischen Tätigkeiten in einem Döner­laden kaum von sonstigen Imbissen unterscheiden dürften“.

Hinter den Kulissen arbeiten Grüne, SPD und Freie Wähler nun an einem Antrag für ein Konzept zur Belebung der Innenstadt, dem auch die CDU am Montag zustimmen kann. Stadtrat Holger Kimmerle ärgert sich: Mit dem Dönerverbot sind wir über Monate in den Schlagzeilen. Dass wir in der gleichen Zeit die Zahl der Schulpädagogen deutlich erhöht haben, interessiert nicht mal die Lokalpresse.“

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