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„Das Ergebnis ist eine dreckige Stadt“

Interview Reiner Wandler

taz: Warum braucht Madrid neue Betriebshöfe für die Stadtreinigung?

Vicente Pérez: In Madrid gibt es bereits über 100 Betriebshöfe der Stadtreinigung. Es sind alles kleine Einrichtungen mit Umkleideräumen für die Straßenkehrer, die dort auch ihre Karren unterstellen und ein paar Fahrzeuge parken. Das war nie ein Problem. Jetzt wird alles umstrukturiert. Es sollen um die zehn neue, große, zentrale Betriebshöfe gebaut werden. Das Neue an diesen Betriebshöfen ist zum einen die Größe und zum anderen, dass hier Müll verarbeitet wird. Dennoch sollen sie alle in Wohngebieten entstehen: mit der Begründung, sie müssten nahe am Einsatzgebiet sein, da hier auch Umkleidekabinen für die Straßenkehrer untergebracht werden sollen.

taz: Was bedeutet das für die Anwohner?

Pérez: Der Müll, den Straßenkehrer mitbringen, wird gesammelt und vorsortiert, bevor er dann auf die Müllhalde und in die Müllverbrennung kommt. Dabei werden auch organische Abfälle verarbeitet. Das bedeutet Gestank, Ungeziefer und auch Ratten. Und im Falle des Notreinigungsdienstes fällt alles an, was in der Stadt so gefunden wird. Das können auch giftige und gefährliche Abfälle sein. Die Betriebshöfe verarbeiten den Müll dann rund um die Uhr, und das in unmittelbarer Nähe von Wohnblocks. Würde es nur um Umkleidekabinen und Platz für Karren und ein paar Parkplätze gehen, wäre niemand gegen diese neuen Einrichtungen.

taz: Hat diese Umstrukturierung damit zu tun, dass die Straßenreinigung und der Notreinigungsdienst an externe Dienstleister ausgelagert, also privatisiert wurden?

Pérez: Reinigung und Müllabfuhr sind in Madrid schon seit Langem privatisiert. Das Neue bei dieser Umstrukturierung ist, dass den Unternehmen mehr Aufgaben zufallen. Und um diese zu erfüllen, vergibt die Stadt Gelände, auf denen die Unternehmen dann diese Großanlagen bauen können. Die Stadt hält sich völlig bedeckt. Sie informiert die Anwohner so gut wie nicht.

taz: Wie beurteilen Sie die Sauberkeit der Stadt?

Pérez: Madrid ist im Vergleich zu anderen europäischen und spanischen Städten eine sehr dreckige Stadt. Selbst andere Gemeinden der Region sind viel sauberer. Die Straßenreinigung funktioniert hier nur bedingt. Hinzu kommt, dass auch die Container zur Mülltrennung ein Problem sind. Es gibt viel zu wenige, und sie werden viel zu selten geleert. Das führt dazu, dass die Nachbarn ihren Recycling-Müll neben den Containern ablegen. Dort, wo diese Container sind, ist es ständig dreckig.

Foto: privat

Vicente Pérez, 65, ist Soziologe und zuständig für Urbanistik und Wohnungspolitik beim Verband der Nachbarschaftsvereine in der Region Madrid (FRAVM).

taz: In Madrid wird wesentlich weniger Müll recycelt als die von der EU als Ziel vorgegebenen 50 Prozent, nämlich nur 28,6 Prozent.

Pérez: Ja, hier in Madrid wandert viel zu viel Müll einfach in die Müllverbrennungsanlage oder auf Müllhalden. Das ist ein Problem in Madrid. Andere spanische Städte schneiden bei Sauberkeit und Müll wesentlich besser ab.

taz: Warum ist das so?

Pérez: Die Stadt wurde in verschiedene Gebiete aufgeteilt. In jeder Zone hat ein anderes Unternehmen den Zuschlag bekommen. Es sind große Bauunternehmen, die im Müllgeschäft und in der Straßenreinigung tätig sind. Wer am billigsten arbeitet, bekommt den Vertrag. Die Unternehmen sind auf größtmöglichen Gewinn aus. Sie geben so wenig wie nur möglich aus. Die Stadtverwaltung kontrolliert die Einhaltung der Verträge kaum. Das Ergebnis ist eine dreckige Stadt.

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