Politik für Menschen, die schuften

Die SPD schwört sich auf die Bundestagswahl und die Konfrontation mit der Merz-Union ein. Sie will den Spitzensteuersatz erhöhen, 15 Euro Mindestlohn und mehr Investitionen

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil bei einem Pressestatement vor der Klausurtagung am Sonntag im Willy-Brandt-Haus in Berlin Foto: Annette Riedl/dpa

Von Anna Lehmann

Auf fünf Seiten hat das Präsidium der SPD aufgeführt, welche Forderungen die Partei im Bundestagswahlkampf 2025 in den Mittelpunkt stellen will. Darunter eine Einkommenssteuerreform, die die meisten Ar­beit­neh­me­r:in­nen entlasten und Spit­zen­ver­die­ne­r:in­nen „etwas“ stärker belasten soll, ein Mindestlohn von 15 Euro, Investitionen in öffentliche Infrastruktur, aber auch ein staatlich subventionierter Industriestrompreis sowie Steuerboni für Unternehmen, die in Deutschland investieren. Interessant ist aber auch, was nicht drinsteht: kein Wort zum Bürgergeld und auch keines zu Migration. Die SPD will wieder Arbeiterpartei sein, die auch Wirtschaft kann, weg vom Image der „Arbeitslosenpartei“, weg von Triggerthemen.

Beschlossen werden soll das Papier nach Redaktionsschluss am Sonntagabend auf der Klausur des Parteivorstands, der sich bis Montag in Berlin trifft, um sich auf den Wahlkampf einzuschwören. Die nächste Bundestagswahl findet regulär am 28. September 2025 statt. Nach dem Plan der SPD soll es ein Duell zwischen Union und SPD werden, wie Parteichef Lars Klingbeil am Sonntag zum Auftakt der Klausur selbstbewusst formulierte: „Es geht um die Frage: Wir oder die Merz-Union.“ Es gehe nicht nur um Personen, sondern auch die Frage, wer die besten Ideen habe, um den Aufschwung zu organisieren. Andere Parteien wie die Grünen, die AfD oder gar die FDP sind in diesem Szenario des Zweikampfs gar nicht vorgesehen. Mal sehen, ob die sich daran halten.

Die SPD schießt sich schon mal auf den gewählten Hauptkonkurrenten ein: „Lohnzurückhaltungen, Sozialabbau, Rentenkürzungen, die Einschränkung des Streikrechts, die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur oder auch die Streichung öffentlicher Investitionen – diese Konzepte, wie sie vor allem aus der CDU unter Friedrich Merz immer wieder präsentiert werden, sind der falsche Weg für unser Land“, heißt es im Papier.

Man räumt zwar ein, dass die Wirtschaft seit zwei Jahren nicht wächst. Um einen „neuen Aufschwung“ in Deutschland zu organisieren, wollen die Sozialdemokraten mehr öffentliche Investitionen organisieren, in Verkehrswege und Energieinfrastruktur, aber auch in Kitas, Schulen und Unis. Dafür will die SPD bestehende Möglichkeiten im Rahmen der geltenden Schuldenbremse nutzen und strebt darüber hinaus eine „zielführende Reform der Schuldenregeln“ an.

Eine Reform der Schuldenbremse hat die Partei bereits auf ihrem Parteitag im vergangenen Jahr beschlossen. Auch die Idee eines Deutschlandfonds, der privates und öffentliches Kapital für Investitionen einsammeln soll, ist bereits Beschlusslage. Neu ist hingegen der Vorschlag, dass Unternehmen, die in Deutschland investieren, steuerliche Vergünstigungen erhalten sollen. Das erinnert stark an den Inflation Reduction Act, mit dem die Biden-Regierung über 400 Milliarden Dollar an Steuermitteln für Investitionen in den USA bereitstellt. In welcher Höhe die SPD solche Steuergutschriften für Produkte „Made in Germany“ plant, ist im Papier allerdings nicht beziffert.

Für Unternehmen will die Sozialdemokratie einen „dauerhaft wettbewerbsfähigen“ Industriestrompreis und stellt in Aussicht, dass sich der Staat an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligt, etwa indem er Anteile an den Unternehmen, die Infrastrukturen bereitstellen, erwirbt. Um die schwächelnde heimische Automobilwirtschaft beim Absatz ihrer Elektro-Autos zu unterstützen, wollen die Sozialdemokraten „Kaufanreize prüfen“ und Leasing-Anbieter verpflichten, eine bestimmte Quote an E-Autos anzubieten. Das Grundrezept gegen die Union lautet also: Entlastungen für Unternehmen, aber auch mehr staatliche Kontrolle und vor allem „Kampf um jeden Industriearbeitsplatz“.

Eine unverhohlene Kampfansage enthält das SPD-Papier auch an den Koalitionspartner FDP: Das Rentenpaket, das im Koalitionsvertrag verankert, von der Bundesregierung beschlossen und jetzt ausverhandelt sei, „muss noch in diesem Jahr verabschiedet werden“.