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Golf im HerbstEine vielfach deprimierende Zeit

Laub und Dunkelheit erschweren den Abschlag. Mit dem Herbst endet auf dem Golfplatz die Saison. Und damit auch die Chance das Handicap auszugleichen.

Golfen im Winter? Der Herbst ist noch unangenehmer! Foto: Paul Langrock

H erbst. Für Golferinnen und Golfer ist das eine wenig schöne Zeit. Denn das Saisonende naht, sportlich und jahreszeitlich. Schon weil die Tage erschütternd schnell kürzer werden und somit keine Abend- oder wenigstens Spätnachmittagsrunden mehr möglich sind.

Das Spiel an einem Hochsommerabend ist so ziemlich das Wunderbarste dieses Sports. Abschlag nach 18 Uhr, die große Hitze ist vorbei. Wenn man allein spielt, geht der Start auch noch um 19 Uhr. Das besonders Schöne daran und gleichzeitig Seltsame: Dann ist der Platz immer schon weitgehend leer. Warum spielen so wenige am Abend? Wir lästern gern: Weil Mutti dann zu Hause zum Abendessen ruft. Oder Papi seine Pantoffeln braucht. Und im versnobten und völlig überalterten Aachener Golfklub: Weil die Pflegerin um 18 Uhr Feierabend hat.

Herrliches Abendgolf: Die letzte Bahn spielt man mit den letzten Sonnenstrahlen oder gleich in die untergehende Sonne hinein. Als sei man als lonely cowboy im Western unterwegs. Und dann auf der Klubhausterrasse noch ein großes Bier, das ist next to heaven.

Jetzt aber: Zeit der Tristesse. Das Klubhaus hat manchmal schon um 19 Uhr zu, lohnt nicht. Und alles ist voller abgefallenem Laub. Gut, das ist halt der Dinge Gang, und wir Golfer lieben ja das Spiel in des Schwunggottes weiter Natur. Aber warum müssen sich die Bälle immer zielsicher nervend unter Laubberge kuscheln? Man sucht ewig, manchmal erfolglos. Und bei der nächsten Bahn das Gleiche. Schon die Flächen neben den Fairways („Rough“) und das Spielbahnbegleitgebäum sind wegen ihres Ballhungers dauerhafte Gegner, jetzt kommt der Fraß der Blätterwälder dazu.

Zeit des Matsches

Und es ist die Zeit des Matsches gekommen. Gut, wer das Frühjahr 2024 überstanden hat, schlammwatend mit Geräuschen, die etwa „Quoutsch“ oder „Bschouff“ klangen, den schreckt auch das Herbstgeläuf nur in Maßen. Schöner wird es dadurch nicht. Schon an Bahn 3 sind die Füße nass.

Im Herbst wähnt man sich immer noch in den Ausläufern des Sommers. Es ist Oktober, das kann doch nicht sein, dass da schon Matsch ist! Hat die Drainage Verstopfung? Sind die Greenkeeper alle krank? Die sollen mal voran machen: Wofür zahle ich die 87 Euro im Monat?! Flutlichtmasten und ein Überdachen des Platzes sind auch keine Alternative.

Der Herbst ist übler als der Winter. Auch im klima­ka­tastro­phen­be­dingt abgemilderten Winter erwartet man gar keine Chance mehr, in die grüne Welt zu können. Auch wenn Schnee bei uns im transatlantisch mild bewindeten und bewinterten äußeren Westen des Landes quasi abgeschafft ist. Wenn es doch mal klappt, ist es eine kleine extra­freudige Überraschung.

„Sollen wir?“ – „Klar, ich war vorgestern da, der Platz ist ziemlich okay.“ Manchmal stimmt der überbordende Optimismus des Antworters sogar mit der Wirklichkeit überein.

Keine Turniere

Auch sportlich ist der Herbst ein Elend. Keine großen Turniere der Profis mehr bis April. Und vor allem keine eigenen, also keine Auszeiten mit dem kleinen Prickel, ob man mal wieder eine gute Runde hinbekommt unter Wettkampfbedingungen. Dafür deprimierender Rückblick auf ein Halbjahr, wo wieder mal vieles nicht so geklappt hat wie gedacht. Genaugenommen: wo fast alle Turniere daneben gingen.

Und keine Chance mehr das auszugleichen. Das Handicap, Maß allen sportlichen Selbstbewusstseins, zielt auch in den Keller. Statt des kürzesten Golfwitzes „Ich kann’s jetzt“ gilt die traurige Weisheit: „Ich kann’s nicht mehr.“

Wobei: Es gibt einen kürzeren Golfwitz als den kürzesten. Er lautet: „Gestern.“

Braucht es eine Erklärung? Mit „gestern …“ oder mit „neulich …“ beginnen mit manischer Begeisterung die Erzählungen von Mitspielern, was sie eben gestern oder neulich erlebt haben, wo sie den Ball hingeschlagen haben, was sonst wie passiert ist. Lauter Sachen, die man gar nicht wissen will.

Die Gestern-Pest ist wie ein Virus. Im Herbst wird einem selbst das bis zum Frühjahr fehlen.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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