Eine mörderische Karriere

Das Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors geht in einer Sonderausstellung dem Wirken von Reinhard Heydrich nach. Seine Laufbahn in der NS-Zeit dokumentiert die Eskalation der Gewalt

Reinhard Heydrich (links) und Eduard Strauch vor dem Quartier der Einsatzgruppe II in Tschenstochau (Südpolen), Anfang September 1939 Foto: Studio Friedrich Franz Bauer

Von Klaus Hillenbrand

Thomas Mann nannte ihn einen Henker. „Wohin dieser Mordknecht kam, floss das Blut in Strömen“, sagte der Nobelpreisträger im Juni 1942 in einer seiner Rundfunkansprachen für die britische BBC über Reinhard Heydrich. Der SS-Obergruppenführer und Diktator über die Tschechen war kurz zuvor in Prag einem Attentat zum Opfer gefallen. Thomas Mann nannte das „den natürlichsten Tod, den ein Bluthund wie er sterben kann“.

Reinhard Heydrich, der als NS-Multifunktionär auch als Chef der Terrorzentrale Reichssicherheitshauptamt fungierte, wird bis heute als ein eiskalter und effizienter Manager des Massenmords beschrieben, und das war er wohl auch. Das Berliner Dokumenta­tions­zentrum Topographie des Terrors steht dort, wo sich einstmals die Zentrale der Gestapo befand, einer Institution, die untrennbar mit Heydrich verbunden war. Es war deshalb naheliegend, dass sie eine Schau über diesen Mörder konzipierte – und es lag doch fern. Denn Ausstellungen über NS-Täter haben in Deutschland bis heute Seltenheitswert.

„Karriere und Gewalt“, so lautet der Untertitel der Schau, die sich vor allem anhand von faksimilierten Dokumenten und Fotos der Person Heydrich annähert. NS-Devotionalien oder andere originale Hinterlassenschaften bleiben so ausgespart, was allerdings zur Folge hat, dass das Thema ausschließlich auf großen Tafeln präsentiert wird und nicht unbedingt zum Schauen einlädt.

Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erfährt viel über Reinhard Heydrich, aber auch über die Mechanismen der NS-Machtausübung. Wobei sich diese beiden Punkte trafen. Da war einerseits Heydrichs Karrierestreben, andererseits die Suche der NSDAP nach Männern, die eine neue Elite im Staat bilden sollten. Heydrich, bei seinem Tod gerade einmal 38 Jahre alt, zählte zu dieser neuen Elite, die sich nur zu gerne und skrupellos der Umsetzung der verbrecherischen Vorstellungen des Nationalsozialismus widmete.

Die Ausstellung folgt Heydrichs Leben chronologisch. Wobei der Ausgangspunkt seines Strebens eine Niederlage war: Heydrich hatte sich einer Karriere als Marineoffizier verschrieben, geriet aber in Konflikt mit Moralvorstellungen dieser elitären Kriegskaste. Weil er angeblich zwei Frauen die Ehe versprochen hatte, musste er 1931 seinen Abschied nehmen. Zugleich aber sorgte der Anschluss an die NS-affine Familie seiner Braut Lina von Osten dafür, dass für Heydrich eine ganz andere Karriere beginnen konnte, nämlich die bei Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS.

Es sah anfangs vergleichsweise harmlos aus, ja geradezu lächerlich: Bei Heydrichs Hochzeit im Dezember 1931 traten als Stimmungskanonen SA-Männer auf. „S.A. wünscht ‚Heil‘ dazu!“ lautet die handschriftliche Bildunterschrift in einem Fotoalbum. Nur sind da Männer in weißen Hemden zu sehen, weil damals in Preußen ein Verbot politischer Uniformen bestand.

Himmler ernannte Heydrich zum Chef des Sicherheitsdienstes (SD) der SS. Es ging dabei um die Abwehr von Polizeispitzeln und Nazigegnern in den eigenen Reihen. Das war der Beginn einer Blitzkarriere, die sich, als die Nazis in Deutschland die Macht erobert hatten, nicht länger auf die Partei beschränkte, wie überhaupt NSDAP und Staat miteinander verschmolzen.

Praktisch sah das so aus, dass Himmler Heydrich 1933 zum Leiter der Politischen Polizei in Bayern machte. Das zeitgleich errichtete KZ Dachau unterstand zugleich Himmler. Die Folge: Heydrichs Behörde schickte mehr als 16.000 „Schutzhäftlinge“ nach Dachau, wo Himmlers Männer sie quälen und töten konnten. Der in der Ausstellung präsentierte Schutzhaftbefehl für Thomas Mann blieb allerdings wirkungslos, denn der war im Ausland.

Der nächste Karriereschritt folgte 1934. Da wurde Heydrich Chef der Preußischen Gestapo und durfte als solcher wie als Leiter des SD dafür sorgen, dass der bei Hitler in Ungnade gefallene SA-Führer Ernst Röhm mitsamt seinen Unterstützern erschossen wurde.

Heydrich wird als ein eiskalter und effizienter Manager des Massenmords beschrieben

1936 erklomm Himmler den Posten des Chefs der Deutschen Polizei, im Gleichschritt durfte Heydrich nun auch noch die Kripo führen. Derweil untersuchte der SD „die Judenfrage“ auf der Suche nach einer „Lösung“. Was das bedeutete, lässt sich in der Ausstellung einem Fernschreiben vom 10. November 1938 entnehmen, das dem Sicherheitsdienst wie der Staatspolizei genaue Anweisungen zum Pogrom erteilte. Schließlich avancierte Heydrich zum Chef des 1939 gebildeten Reichssicherheitshauptamtes, der alle Sorten Folterknechte, Polizeispitzel und Judenmörder in einem bürokratischen Apparat vereinte.

Mit jedem Karriereschritt aber nahm die Gewalt zu, gipfelnd im Holocaust. Heydrich trug Verantwortung für die Bildung der Einsatzgruppen, die hinter der Front planmäßig Jüdinnen und Juden in Osteuropa ermordeten. Was das bedeutete, lässt der in der Schau präsentierte sogenannte Jäger-Bericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppe A in Litauen erahnen: Diese „Gesamtaufstellung der durchgeführten Exekutionen“ listet fein säuberlich Mordaktionen mit genauer Opferzahl auf. So war es nur konsequent, dass Heydrich die treibende Kraft hinter der Besprechung am Wannsee am 20. Januar 1942 war, bei der Vertreter von Partei und Staat gemeinsam die praktische Umsetzung des Massenmords in Europa erörterten.

Heydrichs letzter Job ab September 1941 in Prag als „Stellvertretender Reichsprotektor“ war es, der das Ende seiner Karriere zur Folge hatte – tödlich verletzt auf dem Weg zu seinem Amtssitz von zwei Tschechen. Nur ist es bedauerlich, dass die Ausstellung diesem Kapitel so wenig Platz einräumt. Auch wenn Heydrichs Tod nur neue Massaker zur Folge hatte, auch wenn sein Ableben Holocaust und Krieg kaum tangierte: Es war doch ein Zeichen des Widerstands, ein Zeichen dafür, dass die Welt nicht Massenmördern gehörte.

„Reinhard Heydrich. Karriere und Gewalt“. Topographie des Terrors, bis 10. Juni 2025. Eintritt frei. Der Katalog (296 Seiten) kostet 18 Euro