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Das große Missverständnis

Soll beim Deutschen Buchpreis jetzt auch die Anzahl der Kleinverlage gezählt werden? Nein!

Einige Jahre lang wurden, sobald die Long- oder wie jetzt die Shortlist des Deutschen Buchpreises herauskam, die Frauen auf der Liste gezählt. Das war wichtig, um einen Literaturbegriff aufzubrechen, der Autorinnen immer noch ins Genrefach der sogenannten Frauenliteratur abschob und ihren künstlerischen Anspruch abwertete. Dann wurden die Au­to­r*in­nen mit migrantischem Hintergrund gezählt. Auch das war wichtig und ist es weiterhin, weil man inzwischen gelernt hat, dass literarische Qualitätsmaßstäbe gesellschaftliche Voraussetzungen haben und sich mit ihnen wandeln können.

Dieses Jahr ist nun ein weiteres Kriterium hinzugekommen. Jetzt wird auch die Anzahl der Kleinverlage auf der Liste gezählt – von denen sich tatsächlich nur zwei (Droschl, Geparden) auf der Longlist finden lassen und jetzt auf der Shortlist gar keiner mehr, dafür Suhrkamp, Rowohlt, Fischer, zweimal Klett-Cotta und Beck. Doch die Kleinverlagszählerei ist, so sehr man kleinere und mittlere Verlag unterstützen möchte und ihre Arbeit schätzt, ein Missverständnis. Jede Autorin, jeder Autor kann für sich den Anspruch erheben, den Roman des Jahres geschrieben zu haben; das muss von der Preisjury im Einzelfall geprüft und gegen die Romane der anderen abgewogen werden. Aber kein Verlag hat einen berechtigten Anspruch darauf, auf diesen Listen vertreten zu sein, weder ein noch so berühmter großer noch ein noch so kleiner feiner. Eine Preisjury, die auf Verlagsförderung oder gar einen Verlagsproporz schielt, welchen auch immer, verfehlt fundamental ihren Job. Es ist eben kein Verlags-, sondern ein Literaturpreis – und von Verlagsgrößen auf überholte Literaturbegriffe zu schließen ist, anders als beim Frauen- und Diversitätszählen, nicht möglich.

Dirk Knipphals

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