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Wenn beten überhaupt nicht weird ist

Am letzten Sommer­tag ist gefühlt die ganze Nachbar­schaft draußen. Der Richardplatz wirkt wie ein riesiges Wohnzimmer. In einer Ecke sitzen die Trinker. Aus dem Gettoblaster schallt Tina Turners „You’re si-hiii-mply the best“, gefolgt vom Radiomoderator: „Die besten Hits der 80er, 90er und heute!“ Kindergeschrei vom Spielplatz schallt über den Platz, lautes Gelächter von der Bank nebenan.

Auch eine Gruppe von jungen Erwachsenen ist da. Sie essen Sonnenblumenkerne, bis einer von ihnen panisch aufspringt: „Verdammt, oh nein, ich hab’s total vergessen!“ Er sprintet zu einem Auto, holt einen kleinen schwarzen Teppich aus dem Kofferraum, schaut sich um, zeigt in eine Himmelsrichtung und fragt seine Freunde: „Ist da Osten?“ Sie nicken fast synchron. Der junge Mann bereitet den Teppich auf dem Kopfsteinpflaster aus und beginnt zu beten. Viele Passanten beobachten ihn. Einige wirken verwirrt; einige flüstern und fragen, ob das überhaupt erlaubt ist?

Berlin-­Neukölln

163.735 Ein­woh­ner:innen.Der Richardplatz in Neukölln ist der zentrale Platz und Anger des ehemaligen Dorfes Rixdorf, einer kleinen im Jahr 1737 bei Berlin gegründeten Gemeinde protestantischer Exilanten aus Böhmen.

Nach einer Weile beendet er das Gebet und fragt die Freunde: „War das weird?“ Einer lacht, einer schüttelt den Kopf, einer antwortet: „Guck mal Bruder, wenn du dich jetzt gut fühlst, dann war das null weird. Mögen deine Gebete erhört werden.“ Derya Türkmen

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