taz🐾lage:
Täuschende Alltagsmomente
Von Berlin aus gibt es am Sonntag noch eine einzige Flugverbindung in den Libanon. Ich buche sie – und eine Zusatzversicherung für Journalisten in Krisengebieten. Als ich am Abend in Beirut lande, ist der Flughafen so leer, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Die Luft draußen ist warm, ein Freund holt mich ab, und wir fahren auf der leeren Autobahn Richtung Stadt.
Mit etwas Ignorieren der Gesamtumstände fühlt sich am Montagmorgen alles an wie immer: Ich kaufe ein Päckchen in der EU verbotene Mentholzigaretten für umgerechnet 85 Cent, trinke mit Freunden Kaffee aus Tässchen. Dann kommen die Meldungen: Die Militärkampagne auf den Südlibanon hat begonnen. Den Großteil meiner Zeit verbringe ich bei Freunden in Südbeirut und tippe meine Texte auf dem Sofa. Wir hören den Luftschlag am Dienstag, das dumpfe Donnern, wenn israelische Kampfflugzeuge die Schallmauern durchbrennen, und das Brummen der Drohnen.
Am Mittwochabend sitzen wir zusammen, dann ertönt ein Klicken und der Strom geht aus. Zu allen anderen Krisen – der Krieg, die am Boden liegenden Wirtschaft – steckt das Land seit Jahren in einer Elektrizitätskrise. Draußen beginnt der Dieselgenerator zu arbeiten. „Perfekt“, witzeln wir, „dann hört man wenigstens die Drohne nicht mehr“. Dann senken wir die Köpfe und falten die Hände und beten: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ Lisa Schneider
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