Höcke-AfD ist stärkste Kraft in Thüringen

Die AfD fährt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Rekordergebnisse ein. In Thüringen ist sie stärkste Kraft, in Sachsen knapp hinter der CDU

Aus Erfurt Gareth Joswig

Zum ersten Mal seit 1945 ist in Deutschland eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft bei einer Landtagswahl geworden. In Thüringen kommt der besonders radikale AfD-Landesverband des Rechtsextremisten Björn Höcke laut ersten Hochrechnungen auf rund 33 Prozent. Das ist das beste Wahlergebnis der AfD bei einer Landtagswahl. Das Ergebnis würde ganz knapp für eine Sperrminorität im Landtag reichen, mit dem die extrem rechte Partei wichtige Prozesse und Entscheidungen, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit bräuchte, blockieren könnte.

Auch in Sachsen fährt die AfD ein starkes Wahlergebnis ein und liegt über der Sperrminorität. Mit 31 Prozent nach ersten Hochrechnungen ist sie zweitstärkste Kraft nach der CDU. Bei den vergangenen Landtagswahlen in den Bundesländern 2019 war die AfD in Sachsen auf 27,5 Prozent und in Thüringen auf 23,4 Prozent gekommen.

Für die AfD ist das Ergebnis ein weiterer Meilenstein nach Wahlerfolgen bei den Europa- und Kommunalwahlen, ersten Bürgermeisterämtern und deutlichen Erfolgen auch im Westen bei Landtagswahlen in Hessen und Bayern. In Thüringen feiert die AfD unter Verschluss der Öffentlichkeit. „Da muss man dabei gewesen sein“, schwärmte der EU-Abgeordnete Aust von dem Moment, als das Wahlergebnis auf der Wahlparty bekannt gegeben wurde. Höcke habe sich sehr gefreut, dass die Grünen aus dem Landtag geflogen sein, sagt Aust feixend.

Höckes Co-Chef aus Thüringen, Stefan Möller, freute sich besonders darüber, dass man knapp über einem Drittel der Mandate liege: „Wir werden die Sperrminorität nicht missbrauchen, aber wir werden es nicht hinnehmen, wenn weiter ein Ausgrenzungskurs gegen uns gefahren wird.“ Höcke sprach in einem ersten TV-Interview breitbeinig von der AfD als „Volkspartei Nummer 1“, er verbiete sich die Stigmatisierung als „rechtsextrem“, schließlich könne nun doch nicht mehr ein Drittel der Wähler stigmatisieren.

Beim Wahlkampfabschluss der AfD am Samstag auf dem Domplatz in Erfurt war Höcke zusammen mit Parteichefin Alice Weidel vor hunderten An­hän­ge­r*in­nen aufgetreten. Die Menge forderte mit Sprechchören „Abschiebungen“ und rief: „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ Die Polizei hat zudem Ermittlungen wegen mehrfach gezeigter Hitlergrüße aufgenommen, im Publikum fanden sich auch militante Neonazis. Weidel versprach derweil von der Bühne, „die Antifa“ als terroristische Vereinigung verbieten und gegen die Pressefreiheit vorgehen zu wollen und eine „Migrationswende“ einzuleiten. Tausende demonstrierten in Erfurt zeitgleich gegen Rechtsextremismus. Höcke hatte kurz vor der Wahl den Anschlag von Solingen für seine rassistische Agenda instrumentalisiert und einen deutlich rechtsextrem geprägten Wahlkampf mit Slogans wie „Sommer, Sonne, Remigration“ geführt. Er versuchte dabei, mit ostdeutschtümelnden Slogans und Symbolen bei Wäh­le­r*in­nen zu landen.

Dass Höcke kurz vor den Landtagswahlen mehrfach für die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ verurteilt wurde und das einen „politischen Schauprozess“ nannte, störte seine Wäh­le­r*in­nen offenbar ebenso wenig wie seine zuletzt eher schwachen Auftritte bei TV-Duellen. Im Wahlkampf hatte Höcke wie gewohnt in Thüringen das neonazistisch-aktivistische Vorfeld der AfD eingebunden. Auf den Kandidaten-Listen finden sich unter Identitäre und Reichs­bür­ge­r. Mit seinem Wahlerfolg dürfte Höcke innerparteilich weitere Argumente für seinen Radikalkurs sammeln. Seine zuletzt eher geschwächte Machtposition dürfte sich innerhalb der Gesamt-AfD stärken.