orte des wissens: Ein Zuhause für die Community
Mit der europaweit größten Schwarzen Denkfabrik „Afrotopia“, inspiriert von Felwine Sarrs gleichnamigem Buch, hat Christian Kodzo Ayivi in Hamburg einen zentralen Vernetzungsort geschaffen
Seit mehr als 20 Jahren träumte Christian Kodzo Ayivi von einem Ort, an dem sich die Schwarze Community in Deutschland entfalten kann. „In der Vergangenheit ist sehr spürbar gewesen, dass die Afro-Community in Hamburg und in der gesamten Bundesrepublik ein Zuhause braucht“, sagt der CEO und Gründer von Afrotopia.
2020 ging dieser Traum in Erfüllung. In der ehemals evangelisch-lutherischen Bugenhagenkirche in Hamburg-Barmbek befindet sich heute „Afrotopia culture and innovation“ – eine Kultur- und Denkfabrik für Schwarze, afrikanische und afrodiasporische Menschen, in der soziopolitische Themen dekolonial und rassismuskritisch diskutiert und aufgearbeitet werden.
Solche Orte hätten bislang gefehlt, erklärt Ayivi. Zwar gebe es auch in anderen großen Städten – wie etwa in Berlin – kleinere Zentren für Schwarze Menschen. Keines dieser Zentren entspreche jedoch der Größenordnung von Afrotopia. Deshalb sei die Denkfabrik nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU einmalig: Auf 2.556 Quadratmetern befinden sich zahlreiche Räumlichkeiten, sogenannte „Spaces“, in denen innovative Schwarze Perspektiven auf sozio-, bildungs-, kulturpolitische und gesellschaftliche Themen erarbeitet und diskutiert werden.
Afrotopia bietet Schwarzen Menschen nicht nur einen Ort, an dem sie sich vernetzen, sondern auch psychosoziale, rechtliche und gesundheitliche Beratungen wahrnehmen können, wenn sie Rassismus erfahren haben. „Mein Traum ist es, dass wir Afrotopia eines Tages in jedem Bundesland vertreten sehen oder uns zumindest über Hamburgs Grenzen hinaus weiter vernetzen können.“
Anfang dieses Jahres eröffnete die „Afrotopia Black Academy“, die BIPoC durch Workshops und Veranstaltungen wie „Critical Blackness: Empowering the Black Community“ oder „Von der Civil Rights Movement zu Black Lives Matter“ empowern und ihre Perspektiven sichtbar machen möchte. Gemeinsam mit der Hamburger Volkshochschule soll so ein sicherer Ort für diskriminierungsfreies Lernen entstehen.
Inspiration für die Denk- und Kulturfabrik fand Ayivi in Felwine Sarrs gleichnamigen Buch „Afrotopia“, in dem Sarr eine tatsächliche Entkolonialisierung Afrikas fordert und „junge Menschen animiert, sich neu zu erfinden und die Zukunft Afrikas neu zu denken“.
Die Schwarze Community in Deutschland ist heterogen und bunt, mit sehr unterschiedlichen kulturellen Backgrounds, Lebensgeschichten und -realitäten. Trotzdem gibt es auch vieles, das sie verbindet, wie etwa Erfahrungen mit Rassismus und anderen Diskriminierungsformen. „Es ist wichtig, dass wir als Community und als Gesellschaft zusammenhalten, dass wir das im Auge behalten, was uns eint und trotzdem unsere Unterschiede als Bereicherung feiern“, sagt Ayivi. Dadurch hofft er, dass die „Einheit in der Vielfalt“ – ein Gedanke aus der ökumenischen Welt – eines Tages verwirklicht werden kann.
Die Denkfabrik möchte deshalb auch ein Ort sein, an dem nicht nur Schwarze, sondern alle Menschen, die demokratische Werte vertreten, zusammenkommen. Ein Ort, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt: „Wir sind zwar eine Institution, die sich der Arbeit innerhalb der Black Community widmet, trotzdem sind wir offen für Begegnungen mit der Mehrheitsgesellschaft und anderen Minderheiten.“
Bislang wird Afrotopia aus privaten Mitteln finanziert, alle zehn Mitarbeiter*innen sind dort ehrenamtlich tätig. „Um die Organisation Afrotopia und ihre Arbeit zu erhalten, zu professionalisieren, und die Menschen, die sich beteiligen, bezahlen zu können“, brauche es langfristig eine feste Finanzierung, sagt Ayivi. Sarah Lasyan
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