Neue Hoffnung in Eisenhüttenstadt: Der Lunik Moment

Kein Spekulationsobjekt mehr, sondern einmalige Chance: Seit einem Jahr diskutiert die Stahlstadt darüber, was aus dem Hotel Lunik werden soll.

Im Jahr 2020 noch halbe Ruine, wird das Lunik nun temporär bespielt Foto: Jürgen Ritter/imago

EISENHÜTTENSTADT taz | Etwas „Elektrisierendes“ nennt Oliver Funke die Aufgabe, die vor ihm und seiner Wohnungsgesellschaft steht. „Wir wollen das Lunik der Stadtgesellschaft öffnen“ sagt er. So könne in Eisenhüttenstadt ein „Freiraum“ entstehen, vergleichbar dem Haus der Statistik in Berlin.

Oliver Funke ist Geschäftsführer der städtischen Gebäudewirtschaft (Gewi) und als solcher eigentlich für den Vortrag nüchterner Bilanzen zuständig. 7.000 Wohnungen in der Stahlstadt an der Grenze zu Polen verwaltet die Gewi, erst im Januar wurden wieder 54 Wohnungen abgerissen. Das „Elektrisierende“ ist in Eisenhüttenstadt mit seiner noch immer schrumpfenden Bevölkerung die Ausnahme.

„Als Geschäftsführer der Gewi bin ich für die Versorgung der Eisenhüttenstädter mit Wohnraum verantwortlich“, sagt Funke. „Mit dem Geld, das wir erwirtschaften, können wir kein Abenteuer eingehen.“

Großer Andrang

Seitdem der Hamburger Kaufmann Ulrich Marseille nach einem taz-Beitrag sein Spekulationsobjekt im vergangenen Juni abgestoßen und an Funkes Gewi verkauft hat, gibt es so etwas wie den Lunik Moment in Eisenhüttenstadt. Tausende Menschen zog es zu Führungen in das leerstehende Hotel, das 1963 eröffnet hat und mit seinen Restaurants und Bars so etwas wie der Palast der Republik in der sozialistischen Planstadt war.

Zuletzt fanden in den leerstehenden Räumen des denkmalgeschützten Gebäudes Theatervorführungen des Ensembles „Das letzte Kleinod“ statt. „Hotel Einheit“ hieß das Stück, für das Oliver Funke, wie er es nennt, „Theaterfreiheit geschaffen“, also Schutt weggeräumt, Strom gelegt und eine temporäre Bar geschaffen hat.

Auch bei einer Gesprächsrunde des Museums Utopie und Alltag am Donnerstag ist dieser Lunik Moment zu spüren. Neben Funke diskutieren Sascha Gehm, stellvertretender Landrat in Oder-Spree, Michael Reh vom Stadtplanungsamt sowie Marie Mamerow vom Landesdenkmalamt über die Zukunft des Lunik. „Seit Jahren haben wir in Eisenhüttenstadt mit Perspektivlosigkeit zu kämpfen“, sagt eine Bewohnerin. „Jetzt gibt es die Möglichkeit, etwas Neues zu entwickeln.“

Nur, wie geht das? 500.000 Euro hat der Rückkauf des Lunik gekostet, die Sanierungskosten beziffert die Gewi mit 15 Millionen. Eine Befragung derer, die das Lunik seit seiner Teilöffnung besucht haben, zeigt einen gewissen Realismus. Keine Wolkenkuckucksheime werden dort gefordert, sondern das scheinbar Machbare. Ganz oben steht der Wunsch nach gastronomischen Nutzungen, aber auch der Möglichkeit, Veranstaltungsräume zu mieten. Auch ein Hostel, Gästewohnungen oder eine Hotelnutzung wird immer wieder genannt.

Neben diesen öffentlichen Nutzungen gibt es aber auch den Wunsch, eine Seniorenresidenz oder betreutes Wohnen im Lunik unterzubringen. Doch das stößt nicht nur bei Oliver Funke auf wenig Gegenliebe. „Die Chance, hier etwas Neues zu entwickeln, hat man nicht häufig“, sagt auch Sascha Gehm. Der stellvertretende Landrat und CDU-Politiker hält das Lunik in seiner exponierten Lage an der Magistrale der Stadt für eine „Perle“. „Hier sollte man ruhig mehr Phantasie haben dürfen“, fordert er.

Für Gehm ist das Lunik auch eine Chance, Menschen von außerhalb nach Eisenhütenstadt zu locken. „Man kann für seinen Arbeitgeber in einer Großstadt inzwischen auch in der Peripherie arbeiten“, ist er überzeugt und nennt Co-Working als eine Möglichkeit, das Lunik mit Leben zu füllen. Hinzu komme, dass die Mieten in Eisenhüttenstadt deutlich günstiger seien als die in Berlin.

Parallele Nutzungen

Für den Denkmalschutz sei die historische Nutzung als Hotel ein wichtiges Thema, betonte Maria Mamerow. Allerdings, das wurde im Laufe der Diskussion deutlich, spreche auch nichts dagegen, verschiedene Lösungen für die verschiedenen Etagen zu finden. So könnten Co-Working, Hostel und ein „Kunsthotel“, das sich Oliver Funke wünscht, auch neben, beziehungsweise über- und untereinander existieren.

Für Andrea Wieloch, Leiterin des Museums Utopie und Alltag, ist der Vergleich mit dem Haus der Statistik auch die Chance, auf die Berliner Erfahrungen zurückzugreifen. „Man kann auch über eine kuratierte Vergabe der Flächen nachdenken.“

„Wir haben keine Eile“, gibt der Gewi-Chef am Donnerstag als Parole aus. Zwei Jahre lang will Funke mit der Stadt und ihren Bewohnern, aber auch mit Experten von außen nach umsetzbaren Lösungen suchen. Dazu gehören auch Studierende der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, die seit Sonntag zu einer „Summer School“ in Eisenhüttenstadt eingetroffen sind. Ihre Workshops werden sie im Lunik absolvieren. Keine Abenteuer, das ist Funke bei allem Enthusiasmus wichtig.

„Ganz wichtig ist eine öffentliche Nutzung“, gibt die Stadtplanering Gabriele Haubold am Ende der Diskussion zu bedenken. Dabei lobt sie ausdrücklich die Gewi von Oliver Funke für ihr Engagement. „So was haben wir in Eisenhüttenstadt schon lange nicht mehr gesehen“, sagt sie.

Aber es gibt auch nachdenkliche Stimmen. „Sind zwei Jahre nicht eine zu lange Zeit?“, fragt eine Bewohnerin. Sie gibt zu bedenken, dass die Chance, die derzeit zum Greifen nahe ist, nicht verspielt werden darf. „In zwei Jahren sind doch die jungen Leute, die wir in der Stadt halten wollen, längst weg.“

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