piwik no script img

True-Crime-SerieDiese Mädchen will niemand treffen

„Under the Bridge“ beschäftigt sich mit einem Mordfall auf Vancouver Island aus den 1990ern. Junge Mädchen sollen eine 14-Jährige umgebracht haben.

Die Journalistin Rebecca Godfrey (Riley Keough) versucht herauszufinden, warum ein junges Mädchen sterben musste Foto: imago/Supplied by LMK

D ie Po­li­zis­t*in­nen im Ort nennen sie „Bic Girls“. Die Un­ru­he­stif­te­r*in­nen der True-Crime-Serie „Under the Bridge“ trinken, feiern und klauen. Ihr Vorbild: New Yorker Gangmitglieder. Im malerischen Ort Saanich auf Vancouver Island versuchen sie so, ihre Langeweile zu überwinden.

Die Erkenntnis ist nicht neu, aber deshalb nicht weniger erschreckend: Jugendliche können skrupellos und böse sein.

Mit Erwachsenen haben sie nicht viel zu tun. Sie seien austauschbar, wie die kleinen bunten BIC-Feuerzeuge, erklärt die Anführerin der Gruppe Josephine Bell in der Serie. Doch dann verschwindet die 14-jährige Reena Virk nach einem Streit mit den Bic-Girls und wird tot aufgefunden.

Hier überschneidet sich die Erwachsenen- und die Teeniewelt, denn schnell wird klar, dass die jungen Frauen eine zentrale Rolle in dem Mordfall spielen. Die Journalistin Rebecca Godfrey versucht gemeinsam mit der Polizistin Cam Bentland herauszufinden, warum das junge Mädchen sterben musste. Die US-Serie basiert auf einer Recherche der Autorin Rebecca Godfrey, die den Tod der jungen Reena Virka im Jahr 1997 nacherzählt.

Der Mord auf Vancouver Island bewegte damals die kanadische Bevölkerung. Die Autorin beteiligte sich auch bei den Arbeiten am Drehbuch. Während Godfrey in ihrem Buch selbst nicht vorkommt, ist ihre Figur als Autorin, die nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder ein Fuß nach Saanich setzt, zentral für die Serie. Ihre wiederentdeckte Zuneigung zur Polizistin Bentland sowie ihre eigene traumatische Kindheit sind Teil des Dramas.

Kampf um Anerkennung

Lily Gladstone, die die strenge, aber aufrichtige Bentland verkörpert, ist mit ihrer Rolle für einen Emmy nominiert. Sie ist damit eine der ersten indigenen Schau­spie­le­r*in­nen, die für den Preis nominiert wurden. Auch wenn die beiden Frauen im Fokus der Serie stehen, sind es die Konflikte der Teenager untereinander und mit ihren Familien, die starke Gefühle beim Zuschauen auslösen.

Reena, die in der Schule gemobbt wird, kämpft mit den Anforderungen, die ihre Familie an sie hat. Ihre indische Herkunft ist ihr vor den Bic-Girls, die sie nur dulden, peinlich. Besonders die Beziehung zu ihrer strengen, religiösen Mutter und den starken Drang von gleichaltrigen Mädchen anerkannt zu werden, macht Reena nahbar.

Besonders gruselig ist die Serie nicht wegen ihrer Atmosphäre. Vancouver Island im Herbst ist eher malerisch als mystisch. Es sind mehr die Momente, in denen man den Umgang der Mädchen untereinander beobachtet, die einen erschauern lassen. Wenn die Mädchen sie dafür hänseln, keine Tür zu ihrem Zimmer zu haben oder sich die Beine nicht zu rasieren, will man sich am liebsten beschützend vor die 14-Jährige stellen.

Um Reena nach einem Streit einzuschüchtern, drückt die Anführerin Josephine eine Zigarette zwischen ihren Augenbrauen aus. Ein glühendes Bindi, das zeigt: Du wirst nie ein Teil von uns sein. Die Erkenntnis ist zwar nicht neu, aber deshalb nicht weniger erschreckend: Jugendliche können skrupellos und böse sein.

Serie verliert Fokus

Und das zeigt „Under the Bridge“, ohne auf voyeuristische Weise den Mord zu skandalisieren. Denn in diese Falle tappten genügend True-Crime-Serien in den vergangenen Jahren. Ganz lösen können sich die Ma­che­r*in­nen der Serie dann doch nicht vom Hype.

Denn sie ziehen die achteilige Serie unnötig in die Länge, mit weiteren Handlungssträngen, die über die Suche nach den Beschuldigten hinausgehen. Eine ganze Folge, in der das Kennenlernen von Reenas Eltern erzählt wird, braucht die sonst spannende Serie nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!