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Seine blauen Augen

Augenaufschlag, Blick nach rechts, Blick nach links – und straight ins Visier. Die Pupille wird ins Fadenkreuz genommen, eine dramatisierende Melodie mit Streichern ertönt. Aus dem Auge wird ein o, schließlich sieht man davonlaufende Beine auf nassem Asphalt. Seit 1970, seit mehr als 1.200 Folgen, beginnt der „Tatort“, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit dieser Sequenz. Es ist ein Stück west- und gesamtdeutsches Fernsehkulturerbe, 31 Sekunden lang.

Den Namen des Menschen, dem diese Augen und Beine gehörten, kannten trotzdem die wenigsten. Horst Lettenmayer hieß er. Am Montag wurde bekannt, dass er bereits im Juli gestorben ist. Lettenmayer, der aus Baden-Württemberg stammte und in Bayern lebte, hat oft erzählt, wie er zu den „Tatort“-Augen kam: Im Jahr 1969, 28 Jahre ist er da, will er Schauspieler werden und ist knapp bei Kasse. Er bekommt einen Anruf von seiner Agentin mit dem Hinweis auf einen Job bei einer Produktionsfirma: „Die suchen ein paar Augen, meld dich mal.“ Das tut er.

Sie suchen nicht nur Augen, sondern auch Beine. An nur einem Tag dreht Lettenmayer in einem Münchener Studio und auf dem Flughafen München-Riem die beiden Sequenzen. Einmalig 400 Mark bekommt er dafür.

„Die ARD hat sich auch ein bisschen schäbig benommen, die hätten im Nachhinein schon was ändern können“, hat Lettenmayer dem RND dazu 2020 gesagt. Doch er habe seinen Frieden mit dieser Geschichte gemacht. Von der jahrzehntelangen Strahlkraft seiner Augen war er dabei selbst nicht unbedingt überzeugt: „Wenn ich ab und zu zufällig am Sonntagabend meine Augen sehe, denke ich mir: Mein Gott, schaut der müde aus“, sagte er in demselben Interview.

So viele Jahre nach seiner Entstehung wirkt der Vorspann alles andere als State of the Art. Genau dafür wird er natürlich gefeiert (das Wort „Kult“ darf da nie fehlen), aber in gewisser Weise steht er auch für den Phlegmatismus und Konservatismus der Deutschen. So wie man sich am Sonntagabend zum Krimi vor dem Fernseher einzufinden hat, so soll in diesem Format auch bitte immer alles gleich bleiben.

Einmal trat Horst Lettenmayer auch jenseits des Vorspanns im „Tatort“ auf. Ende der Achtziger durfte er in einem Schimanski-Fall einen Gewerkschaftsfunktionär mimen („Der Pott“), fand sich jedoch schnell tot in einer Kleingartenanlage wieder. Zehn Jahre zuvor hatte Lettenmayer erkannt, dass er es im Schauspielgewerbe nicht weit bringen würde. Er beendete ein Elektrotechnikstudium, entwickelte Lampen und gründete 1979 eine Firma, die er mehrere Jahrzehnte lang erfolgreich leitete.

Doch sein Lebenswerk, das dauerte nur 31 Sekunden. Jens Uthoff

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