Bulgarien könnten bald wieder Neuwahlen bevorstehen

Nach zwei Anläufen gibt es immer noch keine Regierung. Scheitert auch der dritte Versuch, müssen die Wäh­le­r*in­nen erneut an die Urne

Von Barbara Oertel

Der bulgarische Politikwissenschaftler Ewgeni Dainow bringt es auf den Punkt. Die Bulgar*innen, so Dainow in einem Beitrag für den bulgarischen Dienst der Deutschen Welle, stünden an einem Scheideweg. „Der anhaltende Widerstand und der Zusammenbruch des Gemeinschaftslebens, angeheizt durch den Hass auf die moderne Welt und das Aufkommen antidemokratischer Gefühle, stellt uns vor die Wahl: Wir rufen jemanden wie Putin herbei, um den Streit zu beenden. Oder wir selbst sind in der Lage, den Streit zu beenden, indem wir vernünftige, gebildete und respektvolle Politiker mit großer Mehrheit bei den Wahlen unterstützen.“

Doch das scheint auch dieses Mal nicht so einfach zu sein. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 9. Juni 2024, den sechsten (!) innerhalb von drei Jahren, war die konservative Partei Bür­ge­r*in­nen für eine europäische Entwicklung Bulgarien (GERB) des langjährigen Regierungschefs Bojko Borissow mit 24,7 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden. Doch Borissow gelang es nicht, eine tragfähige Regierung zusammenzuzimmern. Ein potenzieller Koalitionspartner, die zweitplazierte Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), vor allem eine Interessenvertretung der türkischen Minderheit, steckt derzeit in einer veritablen Führungskrise und ist gerade erfolgreich dabei, sich zu zerlegen.

Der Staffelstab wurde an das Bündnis Wir setzen die Veränderungen fort (PP)/Demokratisches Bulgarien (DB) weitergereicht, das an der letzten Regierung beteiligt war. Doch auch diese Bemühungen endeten in einer Sackgasse. Es müssten jetzt alle Anstrengungen unternommen werden, um die Pattsituation mit den nächsten Wahlen zu beenden, sagte Borissow dazu am vergangenen Wochenende. „Für weitere Experimente haben wir keine Zeit.“

Doch gemäß der Verfassung muss Bulgariens Präsident Rumen Radew jetzt in einem ultimativen dritten Versuch einer weiteren Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Aber auch dieser dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Denn dafür infrage kämen eigentlich nur die Sozialisten (7,1 Prozent) oder die populistische Partei So ein Volk gibt es (ITN, 6 Prozent). Doch auch mit diesen beiden Gruppierungen ist keine Regierung, geschweige denn ein Staat zu machen.

Apropos Rumen Radew: Dieser Tage sorgt das Staatsoberhaupt, seit 2017 im Amt, wieder einmal für Schlagzeilen. Der russophile Präsident trägt gerade einen handfesten Streit mit der Übergangsregierung aus. Die möchte den Botschafterposten in der Ukraine für eine begrenzte Zeit mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Nikolaj Nentschew besetzen. Sofia hatte seinen Vertreter kurz nach Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar aus Kyjiw abgezogen.

Doch Radew stellt sich quer. Nentschew verfüge nicht über die notwendigen Qualifikationen, sagte er kürzlich. Der wahre Grund für das Störfeuer ist wohl eher, dass Nentschew für eine Unterstützung der Ukraine eintritt. Ganz im Gegensatz zu Radew. Im Juli war der Präsident demonstrativ dem Nato-Gipfel in Washington ferngeblieben. Als Grund hatte er Differenzen mit der Regierung aufgrund Finanzhilfen für die Ukraine genannt. Diese seien mit ihm nicht abgesprochen worden.