Kommentar von Bernd Pickert zu Donald Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance
: Volksnah, skrupellos und eloquent

Jetzt also J. D. Vance. Der 39-Jährige, der gerade erst 2022 mit seiner Wahl zum Senator in Ohio in die Politik eingestiegen ist, soll ­Vizepräsident der USA werden – jedenfalls wenn es nach Donald Trump geht. Dass Trump ihn und nicht einen der gestandeneren republikanischen Politiker zum „Running Mate“ macht, zeigt vor allem eins: Trump ist sich ganz ­sicher, dass er innerhalb der Republikanischen Partei keine Kompromisse mehr machen muss. Der nicht-trumpistische Flügel der Partei ist tot.

Auch nach außen trägt James David Vance, abgesehen von seinem jungen Alter, nichts zum Präsidentschaftsticket bei, was Trump nicht auch selbst zu bieten hätte: Er spricht die gleichen Wäh­le­r*in­nen aus den heruntergekommenen früheren Industriezentren an, die Trump schon 2016 den Wahlsieg bescherten.

Im Unterschied zu Trump ist Vance dabei authentisch: Denn wie er 2016 in seinem viel beachteten Erinnerungsbuch und Bestseller „Hillbilly Elegy“ überaus eloquent erzählte, kommt er selbst aus diesen Verhältnissen. Wenn der Milliardär Trump nur behauptet, für die einfachen Leute zu stehen, kann Vance umso überzeugender sagen: Ich bin einer von euch, ich kenne eure Lage, eure Sorgen, eure Nöte.

Nur: Normalerweise soll die Besetzung des Running Mate Schwächen des Präsidentschaftskandidaten ausgleichen. Etwa bei ­Biden: Deutlich jüngere Schwarze Frau ergänzt alten weißen Mann. Oder bei Trump 2016: Evangelikaler Traditionsrepublikaner Mike Pence ergänzt unorthodoxen New Yorker Quereinsteiger Trump.

Trump hingegen braucht Vance nicht, um die Wahl zu gewinnen. Vance’Ernennung hat andere Gründe, wie die meisten US-Medien wohl zu Recht analysieren: Es geht um den nächsten Fackelträger der MAGA-Bewegung, wenn Trump 2028 nicht mehr kandidieren kann und dann auch schon 82 Jahre alt ist. Die Verstetigung des Trumpismus weit über Trump hinaus.

Für die De­mo­kra­t*in­nen ist Vance eine Gefahr, wenn sie darauf setzen würden, in Staaten wie Wisconsin, Michigan, Pennsylvania die Working Class zurückzuholen. Da ist Vance stark.

Wenn die De­mo­krat*in­nen ihren Wahlkampf hingegen ganz auf die Message konzentrieren, der autoritäre Durchmarsch anti­demokratischer Kräfte müsse verhindert werden, haben sie eine Chance, und Vance’skrupelloser, intellektuell verbrämter Radikalismus kann dabei helfen. Vance ist ein Produkt des Trumpismus, und er selbst hat erklärt, dass er 2021 als Vizepräsident getan hätte, was Mike Pence verweigerte: Trumps Wahlfälschung im Kongress durchzusetzen. Wenn die De­mo­kra­t*in­nen es schaffen, diese Gefahr in die Köpfe der US-Amerikaner*innen zu hämmern, haben sie eine Chance. Es ist ihre einzige.

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