Studie zu Datenarbeitern: Harte Arbeit, niedriger Lohn
Ohne Datenarbeiter würde KI, wie wir sie kennen, nicht funktionieren. Die Kehrseiten dieser Arbeit zeigt ein neues Forschungsprojekt.
„Das Projekt zeigt, dass die Ungleichheit nicht zufällig, sondern strukturell besteht und von den Unternehmen vorsätzlich ausgenutzt wird“, erklärt Sachenbacher. Zusammen mit vier Kolleg*innen führte er die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit den Datenarbeitern durch.
Ohne Datenarbeiter*innen gäbe es Künstliche Intelligenz (KI), wie wir sie kennen, nicht. Zwar ist grundsätzlich beim Maschinellen Lernen kein menschliches Feedback erforderlich, weil die KI anhand von Trainingsdaten lernt. Jedoch übernimmt sie dabei auch sämtliche Vorurteile und was sonst noch an unerwünschten Perspektiven in den Daten steckt.
Um diese herauszufiltern, dem Modell also eine menschliche Brille aufzusetzen, die beispielsweise Diskriminierung als etwas Schlechtes erkennt, braucht es Menschen, die nachjustieren: Datenarbeiter*innen. Weil große Firmen wie OpenAI oder Meta ihre KI mit Millionen von Datensätzen füttern, ist der Bedarf an Arbeitskraft groß.
Nach einer Schätzung der Weltbank macht Datenarbeit zwischen 4,4 und 12,5 Prozent der globalen Arbeitskraft aus. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, lagern Firmen die Arbeit zum Teil in den globalen Süden aus. 40 Prozent der Arbeit wird in Ländern mit niedrigem oder mittleren Einkommen, wie Kenia, verrichtet.
Die Menschen geraten in Abhängigkeit
Hier lebten auch die Befragten, in den Slums von Nairobi, in Armut. Mitarbeitende der Dienstleister seien gezielt zu ihnen gekommen, um für ihre Jobs zu werben, die das Einkommen sichern. Das verspricht einer der Dienstleister, Sama, auch auf seiner Website. Dort heißt es, man habe bereits über 59.000 Menschen aus der Armut geholfen.
Und tatsächlich berichten die Menschen von Löhnen, die höher sind als zum Beispiel von Tagelöhnern in den Slums. Bei einer Recherche des Times Magazin aus dem vergangenen Jahr kam heraus, dass Mitarbeiter:innen von Sama in Kenia um die 170 Dollar im Monat verdienten. Zum Vergleich: der Mindestlohn in Nairobi lag im gleichen Jahr bei ungefähr 110 Dollar im Monat. Um nachhaltig den Lebensstandard zu heben oder um Geld zu sparen, reiche so ein Lohn aber nicht, sagt TU-Forscher Sachenbacher.
So gerieten die Arbeiter in eine Abhängigkeit: „Die Menschen leben in ökonomischer Prekarität und haben keine Alternativen. Viele Bekannte im Umfeld der Data Worker bekommen gar keinen Job. Dann entsteht auch ein emotionaler Druck“, so der Forscher.
Der rechtliche Rahmen fehlt
Als Folge dessen duldeten die Arbeitenden schlechte Bedingungen. Bei beiden Unternehmen berichten die Arbeiter etwa von unbezahlten Überstunden und davon, dass sie mental belastende Inhalte anschauen mussten, um diese aus den KI-Systemen zu filtern.
Die Dienstleister hingegen würden doppelt profitieren: „Die Unternehmen zahlen so viel Lohn wie nötig, um sich im globalen Norden als ein gutes, faires Unternehmen präsentieren zu können, und so wenig wie möglich, um die Kosten zu drücken“, so Sachenbacher.
Um dem Problem künftig zu begegnen, brauche es laut Sachenbacher einen internationalen Rechtsrahmen, etwa eine Anbindung der jungen Branche an ein bestehendes Lieferkettengesetz. Gesetze wie der von der EU beschlossenen AI Act seien ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings: „bisher hinken wir auf internationaler Ebene noch hinterher“.
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