Kaputt gespart, und nun?

Es ist tatsächlich möglich: Die Züge der Deutschen Bahn AG sind im ersten Halbjahr noch unpünktlicher geworden. Doch das ist nicht die einzige Baustelle des Konzerns

Einstieg in die Megasanierung: Demontage von Anlagen der Riedbahn Foto: Daniel Kubirski/imago

Aus Berlin Wolfgang Mulke

Streiks, Pannen und das marode Schienennetz haben die Pünktlichkeit bei der Deutschen Bahn AG weiter verschlechtert. Im ersten Halbjahr 2024 kamen nur 62,7 Prozent der Züge fahrplangemäß ans Ziel. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp 69 Prozent. Das hat nach Angaben von Bahnchef Richard Lutz auch die Betriebsleistung und das Ergebnis des Unternehmens erheblich geschmälert. Besser werden soll die Leistung durch die Generalsanierungen von 41 Hochleistungskorridoren, die dafür monatelang gesperrt werden.

Den Auftakt macht derzeit die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. 2025 geht es mit den Trassen zwischen Hamburg und Berlin sowie zwischen Emmerich und Oberhausen weiter. Bis 2030 sollen alle wichtigen Streckenabschnitte modernisiert sein. Dann soll der Verkehr wieder weitgehend pünktlich durchs Land rollen.

Auch die Halbjahresbilanz der Bahn erscheint erst einmal desaströs. 1,2 Milliarden Euro Miese weist das Konzernergebnis aus. Lediglich die Spedition Schenker erweist sich mit einem Plus von 520 Millionen Euro als Gewinnbringer. Alle anderen Geschäftsfelder stecken in den roten Zahlen, der Fernverkehr mit 232 Millionen Euro, der Nahverkehr mit 66 Millionen Euro und der Güterverkehr mit 261 Millionen Euro.

Den größten Verlust verzeichnet die Infrastruktursparte mit mehr als 700 Millionen Euro. Auf den zweiten Blick sieht die Lage nicht mehr ganz so schlecht aus. Denn ein großer Teil der roten Zahlen resultiert aus Vorleistungen der Bahn für den Bund, die erst im weiteren Jahresverlauf ausgeglichen werden. Auch die Streikkosten von 300 Millionen Euro zu Jahresbeginn haben das Ergebnis einmalig belastet. So erwartet der Vorstand für das gesamte Jahr 2024 ein positives operatives Ergebnis von rund 1 Milliarde Euro.

Erste Baustelle ist das Schienennetz: Extremes Wetter und das marode Netz haben die Infrastruktur „an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht“, gibt der Finanzvorstand der Deutschen Bahn, Levin Holle, zu. Hohe Investitionen sollen da Abhilfe schaffen. 21 Milliarden Euro stecken Bahn und Bund in diesem Jahr in das Netz, 11 Milliarden davon zahlt der Konzern.

Die Bautätigkeit soll reibungsloser organisiert werden. Das Bauen auf einzelnen Streckenabschnitten wird gebündelt und mehr auf einmal erledigt. Dafür werden Zeitfenster festgelegt. So soll sich die Vielzahl von plötzlichen Fahrplanänderungen reduzieren.

Da die Infrastruktur qua Gebot wirtschaftlich sein muss, werden die Trassenpreise stark erhöht. Darunter leiden alle Bahnunternehmen, also auch die Deutsche Bahn. Das könnte dazu führen, dass manche Verbindungen nicht mehr wirtschaftlich gefahren werden können. Von einer Kürzung des Fahrplans will Bahnchef Lutz dennoch nichts wissen.

„Es gibt keine Pläne, das Angebot zu reduzieren“, versichert er. Auch bleibe es dabei, dass alle größeren Städte besser angebunden werden sollen. Der Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz, angesichts der Kapazitätsengpässe auf der Schiene Züge zu streichen, erteilt Lutz eine Absage. „Das ist generell keine gute Idee“, stellt er klar. Das Problem der Trassenpreise erkennt die Politik an. Vermutlich wird es eine Förderung für die Unternehmen geben.

Parallel bleibt auch der Güterverkehr eine Baustelle: Seit vielen Jahren fährt die Cargo-Sparte riesige Verluste ein. Daran hat sich auch im ersten Halbjahr 2024 noch nichts geändert. Doch Lutz rechnet mit einer baldigen Genesung. 80 Prozent der Verluste entfallen auf den sogenannten Einzelwagenverkehr, der politisch gewollt ist. Sie sollen durch eine Bundesförderung ausgeglichen werden. Auch erwartet der Vorstand durch das nun auch mit den Gewerkschaften abgemachte Sanierungskonzept eine höhere Wettbewerbsfähigkeit. Im kommenden Jahr, so hofft man, soll der Güterverkehr dann wieder schwarze Zahlen schreiben.

„Es gibt keine Pläne, das Angebot zu reduzieren“

Richard Lutz, Bahnchef

Eine dritte Baustelle ist die Verwaltung: Finanzchef Holle will an vielen Stellen Kosten sparen. So will er die Verwaltung stärker digitalisieren. In den kommenden fünf Jahren werden dadurch und durch weitere Effizienzprogramme rund 30.000 Stellen entfallen. Mit Entlassungen ist wohl dennoch nicht zu rechnen. An anderen Stellen wird neues Personal benötigt, und altersbedingt verlassen ohnehin jährlich Tausende Mitarbeiter das Unternehmen.

Auch Schulden belasten die Deutsche Bahn: Aktuell sind es weit mehr als 30 Milliarden Euro. Kürzlich ist es eine Milliarden Euro weniger geworden. Das hat der Verkauf der britischen Bahntochter Arriva ermöglicht. Zum Verkauf steht auch die Spedition Schenker, die einen zweistelligen Milliardenbetrag wert sein dürfte. Derzeit durchleuchten die potenziellen Käufer die Bücher von Europas größter Spedition. Wie lange die Prüfungen dauern, ließ Holle offen. Mit dem Verkauf kann die Bahn zwar weitere Schulden tilgen, sie verliert damit aber auch die aktuell immer noch größte Gewinnquelle.

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