SPD-Mitgliederbegehren: Wackelige Argumente vom Vorstand

Ein Mitgliederbegehren der SPD fordert die Fraktion auf, Sozialkürzungen abzulehnen. Der Vorstand hält das für unzulässig – mit abwegigen Begründungen.

Ein Würfel aus Stahl mit den Buchstaben SPD steht auf der Spitze vor dem Eingangsbereich des Willy-Brandt Hauses in Berlin

Schlechte Stimmung in der SPD, der Vorstand will ein Mitgliederbegehren der SPD-Linken verhindern Foto: Wirth/Zoonar/imago

BERLIN taz | Die Begründung des SPD-Parteivorstands zur Ablehnung eines Mitgliederbegehrens der SPD-Linken ist juristisch nicht überzeugend. Wenn die Betroffenen dagegen klagen, dürften sie Erfolg haben.

Drei Mitglieder des „Forums Demokratische Linke 21“ (DL21), einer SPD-Gruppierung in Berlin, hatten die Einleitung eines Mitgliederbegehrens beantragt. Ziel war ein Parteibeschluss, der die SPD-Bundestagsabgeordneten auffordert, dem Bundeshaushalt 2025 nur zuzustimmen, wenn es zu keinen Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung, Demokratie und Entwicklungszusammenarbeit kommt.

Nach den SPD-Verfahrensrichtlinien zur Durchführung von Mitgliederbegehren muss zunächst der SPD-Parteivorstand die Zulässigkeit des Antrags prüfen, bevor auch nur mit der Sammlung von Unterschriften begonnen wird. Der SPD-Parteivorstand hat am Montag allerdings mitgeteilt, dass er den Antrag für „unzulässig“ hält. Er stützte sich dabei auf ein nur zweiseitiges „Gutachten“, das im Namen des SPD-Parteivorstandes erstellt wurde. Es liegt der taz vor.

Der Parteivorstand stützt sich dabei auf einen Passus im SPD-Organisationsstatut: „Gegenstand eines Mitgliederbegehrens können nur solche Beschlüsse sein, die nicht durch Parteiengesetz oder durch andere Gesetze ausschließlich einem Organ vorbehalten sind.“ Die Aufstellung des Bundeshaushalts sei aber laut Grundgesetz ausschließliche Sache des Bundestags, so der Parteivorstand.

Das Argument ist juristisch absurd

Das Argument ist absurd, denn es verwechselt Äpfel mit Birnen. Weder zielt das Mitgliederbegehren darauf ab, dass die SPD-Bundespartei den Bundeshaushalt aufstellt. Noch ist der Bundestag dafür zuständig, die SPD-Abgeordneten zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten aufzufordern. Im nächsten Schritt argumentiert der SPD-Parteivorstand mit dem „freien Mandat“ der Bundestagsabgeordneten, dessen Schutz aber als Ablehnungsgrund für Mitgliederbegehren im SPD-Organisationsstatut nicht erwähnt ist.

Die Abgeordneten sind laut Artikel 38 Grundgesetz nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Für den SPD-Parteivorstand heißt das: „Ein Beschluss, der die Mitglieder des Bundestages zu einer entsprechenden Abstimmung verpflichtet bzw. erheblichen Druck auf die Abgeordneten und deren Entscheidungsfreiheit ausübt, wäre ein unmittelbarer Eingriff in die staatliche Sphäre, der staatliches Handeln auch unmittelbar qualifizieren würde und insoweit als Eingriff in das freie Mandat unzulässig. Damit würde in gravierender Weise in die freie Mandatsausübung nach Art. 38 GG eingegriffen.“

Wenn der Parteivorstand diese Rechtsauffassung ernst nähme, dann dürfte allerdings auch ein Parteitag der Sozialdemokraten ihre SPD-Abgeordneten nicht mehr zu bestimmten Stimmverhalten auffordern. Auch der Parteivorstand selbst dürfe das nicht mehr und natürlich auch nicht die Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken.

Initiatoren könnten Schiedskommission anrufen

Dass diese Schlussfolgerungen fernliegend sind, weiß offensichtlich auch der SPD-Parteivorstand. Mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2013 erklärt der SPD-Parteivorstand, dass Mitgliederbegehren, „die sich mit politischen Fragestellungen befassen, die auch die Mitglieder des Bundestages betreffen, nicht per se einen Verstoß gegen Art. 38 Grundgesetz“ darstellen. Verboten sei, so nun der Parteivorstand, lediglich „die unmittelbare Einflussnahme auf das Haushaltsrecht“.

Worin die Sonderstellung des Haushaltsrechts bestehen soll, kann der SPD-Parteivorstand aber nicht überzeugend begründen. Der Parteivorstand verweist darauf, dass das Haushaltsgesetz „keine unmittelbare Außenwirkung entfaltet und schon gar nicht Rechtsansprüche Dritter gegen den Staat schafft“. Dass diese Besonderheit die innerparteiliche Demokratie der SPD einschränken kann, ist völlig abwegig.

Die Initiatoren des Mitgliederbegehrens könnten nun die Bundesschiedskommission der SPD anrufen, wenn sie die Ablehnung ihres Antrags mit Rechtsmitteln angreifen wollen. Die Bundesschiedskommission ist ein parteiinternes Gericht der SPD. Ob die DL21-Mitglieder diesen Schritt gehen, haben sie noch nicht entschieden.

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