Bürgergeld bald wieder wie
Hartz IV?

Nach der Haushaltseinigung: Kritik an Ampel-Plänen für längere Arbeitswege und mehr Sanktionen

Von Marie Sophie Hübner

Nach der Ankündigung der Ampelkoalition, die Regeln für das Bürgergeld zu verschärfen, kommt Kritik unter anderem aus der Linkspartei. Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Linken-Gruppe im Bundestag, bemängelte die Sanktionspläne der Regierung. „Die Ampel suggeriert, dass Menschen, die Bürgergeld beziehen, durchweg faul sind oder schwarzarbeiten und den Staat betrügen. Das ist es, was immer wieder mitschwingt“, sagte sie am Montag.

Am Freitag hatte sich die Bundesregierung auf die Grundzüge des Haushalts für das kommende Jahr geeinigt. Als Teil der sogenannten „Wachstumsinitiative“, mit der die Regierung die Wirtschaft ankurbeln will, kündigte sie auch die Verschärfungen beim Bürgergeld an. So sollen Bü­rger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen künftig auch Jobs annehmen, wenn sie für den Arbeitsweg insgesamt drei Stunden brauchen. Lehnen sie wiederholt „zumutbare“ Arbeit ohne triftigen Grund ab, kann ihnen schon seit diesem Jahr für bis zu zwei Monate der komplette Regelsatz gestrichen werden. Die Ampel hatte die Strafe verschärft, obwohl eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit zeigte, dass zwischen Februar und Dezember 2023 von etwa vier Millionen erwerbsfähigen Bür­ger­geld­be­zie­he­r:in­nen nur knapp 16.000 sanktioniert wurden, weil sie Arbeit verweigerten.

Bei anderen Pflichtverletzungen müssen Betroffene laut der Einigung vom Freitag auch wieder mit stärkeren Sanktionen rechnen: Die Bundesregierung plant, Kürzungen von 30 Prozent für drei Monate schon für die ersten Regelverstöße zu ermöglichen. Bislang sind stufenweise zu Beginn nur 10 beziehungsweise 20 Prozent möglich. Auch für Bürgergeldempfänger:innen, die schwarzarbeiten, sieht die Einigung vom Freitag Kürzungen des Bürgergelds um 30 Prozent vor.

Der Vorschlag der Ampel sieht zudem vor, dass Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen künftig schneller ihr Vermögen ausgeben müssen, bevor sie weiter Bürgergeld beziehen. Bislang müssen sie ihr Vermögen erst nach einem Jahr antasten. Mit dem Vorschlag der Bundesregierung müssten sie alles oberhalb eines „Schonvermögen“ von 15.000 Euro bereits nach 6 Monaten nutzen. Die Altersvorsorge zählt aber nicht dazu.

Helena Steinhaus ist Aktivistin und Gründerin von Sanktionsfrei. Ihr Verein engagiert sich für Menschen, die Bürgergeld beziehen, und gegen Sanktionen. Steinhaus erklärt, die Ersparnisse antasten zu wollen, sei zu kurz gedacht: „Die meisten Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen haben keine 15.000 Euro. Und die, die Vermögen haben, haben lange gearbeitet, um etwas zurückzulegen. Ihnen dieses Geld wegzunehmen, bevor sie weiter Bürgergeld bekommen, ist Hohn.“ Die Bundesregierung hatte angekündigt, die Änderungen schnell umsetzen zu wollen. Aber auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigte sich am Montag im ZDF skeptisch. Vordringliches Ziel müsse sein, jene aus dem Bürgergeld herauszubekommen, die mit dem Bezug ihren Arbeitslohn aufstocken: „Würden wir einen Mindestlohn von 14 oder 15 Euro haben, hätten wir mehrere Hunderttausend davon raus. Das wäre eine wirkliche Einsparung beim Bürgergeld“, so Kühnert.

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