Nach der Wahl ist vor der Wahl

In Sachsen und Thüringen stehen am 1. September Landtagswahlen an. Aus den Wahlergebnissen vom Sonntag lässt sich dafür einiges ablesen

Die Kommunalwahlen als Wegweiser für die Landtagswahlen im Herbst? Ein Schild vor einem Wahllokal in Gera Foto: Fo­to:­ Heiko Rebsch/dpa

Von David Muschenich

Nach der Europawahl zeigt sich auf den Ergebniskarten mal wieder ziemlich trennscharf, dass es vor gut 35 Jahren noch zwei deutsche Staaten gab. Dort, wo schon etwas länger die Bundesrepublik besteht, holte die schwarze CDU meist die höchsten Stimmanteile. Dort, wo früher die DDR lag, meist die hellblaue AfD.

Das ist auch in Sachsen und Thüringen so, wo an diesem Wochenende noch Kommunalwahlen anstanden und am 1. September ein neuer Landtag gewählt wird. Doch auch wenn sich die Ergebnisse nicht direkt als Prognose werten lassen, zeigen sie eine mehr als erfolgreiche AfD. Und für die Kommunen haben die Wahlen vom Sonntag direkte Auswirkungen.

Zum Beispiel bei den Kreistagswahlen in Sachsen: Dort bekam die blaue Partei in fast allen Landkreisen den höchsten Stimmanteil. Kurz vor dem Ende der Auszählung schnitt die CDU nur in der Stadt Leipzig und im Kreis Zwickau besser ab.

Anders scheint die Lage in Thüringen. Dort gewann die CDU am Sonntag die meisten Stichwahlen und bekam schon vor zwei Wochen in den kommunalen Volksvertretungen thüringenweit den höchsten Stimmanteil. Die AfD verlor hingegen bei den neun Stichwahlen, bei denen ihre Kandidaten um Landratsämter antraten. Das heißt: Sie bekam auf Kreisebene keine Mehrheit, keinen Stimmanteil über 50 Prozent. Doch die einzelnen Ergebnisse zwischen 29,5 und 45 Prozent lagen trotzdem in dem Bereich, den die AfD in anderen Wahlen einfahren konnte. Auch in mehreren Thüringer Kreistagen stellt sie nun die stärkste Fraktion.

Der Rechtsextremismusexperte David Begrich warnt deshalb: „Das Entscheidende und Katastrophale ist, dass die AfD in vielen Kreistagen nun eine Mehrheit organisieren könnte. Solche habituellen Mehrheiten auf kommunaler Ebene haben deutlich mehr Folgen als 50 Reden im Bundestag.“

Der Soziologe Matthias Quent erklärt, es sei die Strategie der AfD, sich kommunal zu normalisieren, um in nächster Instanz auf der Länderebene eine Zusammenarbeit mit demokratischen Parteien zu ermöglichen. „Obwohl sie demokratiepolitisch richtig wäre“, sei es auf kommunaler Ebene für andere Parteien schwer, eine Brandmauer zu rechtfertigen. Nicht nur, weil die AfD-Politiker:innen teilweise lokal verankert sind.

Dass die Partei rechtsextrem sei, zeige sich bei lokalen Themen nicht deutlich und werde nicht problematisiert. „Dann kann sich die Wahrnehmung einstellen: Die Warnungen vor der AfD seien übertrieben oder rein parteipolitisch motiviert“, sagt Quent.

Allerdings gebe es vor den Landtagswahlen für die anderen Parteien immer noch einige Handlungsspielräume, sagt Quent: Sie könnten landesbezogene Themen betonen, die Zivilgesellschaft ansprechen und den Amtsinhaberbonus mobilisieren.

Trotzdem hält es etwa der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger nach den Europawahlergebnissen für möglich, dass in Sachsen nach der Landtagswahl nur drei Parteien ins Parlament einziehen: AfD, CDU und BSW. SPD, Grüne und Linke seien nicht weit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt, sagte er der dpa.

Das BSW ist dabei heimlicher Sieger. Sachsen bekam es bei der EU-Wahl 12,6 Prozent der Stimmen, in Thüringen sogar 15 Prozent. Landeschefin Katja Wolf sagte der dpa dazu am Montag: „Das ist für uns natürlich ein großer Erfolg. Mit dem ich in der Größenordnung auch nicht gerechnet habe“. Sie sehe darin auch eine Verantwortung für die Landtagswahl. In früheren Gesprächen sagte sie der taz, das BSW stehe in Thüringen auch für eine Regierungskoalition zur Verfügung.

Ebenso erfreut klang Thüringens CDU-Chef Mario Voigt: „Das ist ein herausragendes Ergebnis.“ Auch er weiß, die Kommunalwahl ist nicht eins zu eins auf die Landtagswahl übertragbar, aber die CDU sei gestärkt aus ihr herausgegangen. Er blickt optimistisch auf die Wahl im September.

Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Chef Georg Maier zeigte sich hingegen in einer Erklärung enttäuscht. Und er lenkte den Fokus nach der EU-Wahl auf die Bundesregierung: „Meine Erwartungshaltung an die Ampelkoalition ist, ostdeutsche Themen in den Mittelpunkt zu rücken.“

Ähnlich äußert sich Michael Kretschmer, Ministerpräsident und Sachsens CDU-Chef: Ein Weiter so könne es nicht geben. Die Ampel sei abgestraft worden, Scholz solle über Neuwahlen nachdenken.

Auch die Grünen in Sachsen zeigten sich unzufrieden. Bei der Europawahl bekamen sie 4 Prozent und bei den Kommunalwahlen im Schnitt ähnliche Ergebnisse. Für sie bleibe aber bei der Landtagswahl die Klimakrise das „entscheidende Thema unserer Zeit“, sagt Co-Landesvorsitzende Marie Müser der taz. „Wir müssen zeigen, dass die Menschen vom Klimaschutz profitieren. Bei der Energiewende sogar kurzfristig, durch die finanzielle Beteiligung von Kommunen an den Erlösen der Windenergie.“

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