Hannes Koch über Habecks Vorstoß beim Lieferkettengesetz
: Falsche Verhandlungsmasse

Robert Habeck spricht über das Lieferkettengesetz, für das er jetzt plötzlich eine „Pause“ einlegen will. Doch möglicherweise geht es um etwas anderes: den Bundeshaushalt und ein Paket gegen die Stagnation der Wirtschaft. Der grüne Bundeswirtschaftsminister äußert sich gewollt unpräzise, um Spielraum in den Verhandlungen mit seinen Regierungspartnern SPD und FDP zu gewinnen.

Zur Erinnerung: Zehn Jahre hat es gedauert, bis in Deutschland und Europa jetzt halbwegs wirksame Regelungen zum Schutz der Menschenrechte von Beschäftigten in den weltweiten Zulieferfabriken existieren. Ein urgrünes Projekt. Und nun stellt der grüne Spitzenpolitiker das deutsche Lieferkettengesetz zur Disposition? Mit dem Versuch, in den letzten Tagen vor der Europawahl noch ein paar Stimmen zu gewinnen, lässt sich das nicht erklären. Die Lieferketten sind wichtig, aber doch eher ein Spezialistenthema ohne wahlentscheidende Wirkung.

Vielleicht ging es dem Wirtschaftsminister darum, das angespannte Verhältnis zu manchen Wirtschafts­verbänden aufzulockern. Eventuell will er aber auch der FDP ein Kom­promissangebot unterbreiten. Schließlich stecken die drei Parteien in äußerst schwierigen Verhandlungen über ihr Haushaltsbudget für 2025. Der ­liberale Finanzminister Christian Lindner hat gerade eine umfangreiche ­Steuerentlastung gefordert, die nicht im Sinne von SPD und Grünen ist. Da kann es helfen, etwas anzu­bieten.

Wobei es für das Lieferkettengesetz nichts Gutes bedeutet, wenn es nun zur Verhandlungsmasse wird. Erlässt man den Unternehmen zum Beispiel ihre Berichte darüber, wie sie das Gesetz erfüllen, fiele es dem Bundesamt für Wirtschaft schwerer, die Firmen zu kontrollieren. Und würden die hiesigen Vorschriften ausgesetzt, bis die europäische Lieferkettenrichtlinie nach und nach in Kraft tritt, handelte es sich nicht um eine zweijährige Pause, sondern tatsächlich um eine sechs- bis siebenjährige Verzögerung.

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