Die CDU will zur Wehrpflicht zurück

Ein entsprechender Antrag der Jungen Union wird ins Grundsatzprogramm der Partei aufgenommen. Die Delegierten winken auch eine strittige Formulierung zum Islam durch

Johannes Winkel, Philipp Amthor, Carsten Linnemann, Daniel Günther, Jens Spahn und Serap Güler (v. l.) diskutieren einen Änderungs­antrag zur Wehrpflicht Foto: Kay Nietfeld/dpa

Aus Berlin Cem-Odos Güler
und Sabine am Orde

Es ist Mittagszeit, als der Bundesvorstand der CDU doch einmal nachgeben muss. Gerade hat Johannes Winkel, der Vorsitzende der Jungen Union, mit Verve einen Änderungsantrag zum Entwurf des Grundsatzprogramms vorgetragen. „Wir dürfen die Verteidigung nicht dem Prinzip Hoffnung überlassen“, hat Winkel gerufen und nicht weniger als die Wiedereinführung der Wehrpflicht gefordert.

Genauer: Die JU will die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise bis zur Einführung eines allgemeinen, verpflichtenden Gesellschaftsjahres zurücknehmen; Letzteres ist schon Beschlusslage der Partei. Bis dahin soll nach dem Vorbild Schwedens eine sogenannte Kontingentwehrpflicht eingeführt werden. Das heißt: Alle Männer und Frauen eines Jahrgangs sollen gemustert, aber nur so viele eingezogen werden, wie es dem aktuellen Bedarf der Bundeswehr entspricht. Der Entwurf des Bundesvorstands hatte nur recht unverbindlich davon gesprochen, dass es mit Blick auf die Wehrpflicht keine Denkverbote geben dürfe.

Nach Winkel melden sich mehrere Delegierte zu Wort, die den Antrag der JU unterstützen. „Wenn wir eine Zeitenwende bei der Bundeswehr umsetzen wollen, dann gehört die Frage nach der Rekrutierung von Personal dazu“, sagt Daniel Günther, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. Joe Wadephul, stellvertretender Frak­tions­vorsitzender im Bundestag, hat die ursprüngliche Version mit erarbeitet – und seine Meinung geändert: „Wir müssen sagen, wo die CDU hinwill.“ Am Ende nimmt der Parteitag den Antrag der JU minimal verändert an.

Zwei Jahre lang hat die Grundsatzprogrammkommission gearbeitet, herausgekommen ist ein 72-seitiger Entwurf unter dem Titel „In Freiheit leben“. 2.120 Änderungsanträge liegen dem Parteitag am Dienstag dazu vor. Der ganze Tag ist für die Debatte vorgesehen, unterbrochen nur von einer Rede von CSU-Chef Markus Söder am späteren Nachmittag. Am Abend soll das vierte Grundsatzprogramm der Partei verabschiedet werden, das letzte war 17 Jahre alt.

„Heute wird es historisch“, sagte denn auch Generalsekretär Carsten Linnemann, der die Kommission geleitet hat, zu Beginn der Debatte. Und Parteichef Friedrich Merz widersprach der weitverbreiteten Einschätzung, dass die CDU keine Programm-, sondern eher eine Machtpartei sei. „Nur wenn wir in der Verantwortung stehen, können wir etwas durchsetzen – aber dieses Etwas muss Substanz haben“, betonte Merz.

Im Laufe des Tages winken die Abgeordneten ohne Debatte viele Punkte durch: das Bekenntnis zur Leitkultur etwa, eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, eine bis zuletzt eigentlich umstrittene Äußerung zum Islam. Dort heißt es jetzt: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Ein erneuter Versuch, den Begriff der Gleichstellung der Geschlechter aus dem Programm zu streichen, scheiterte. Der Begriff ist einem Teil der Konservativen in der CDU, die überall Identitätspolitik wittern, ein Dorn im Auge. Weil diese Passage aber bereits vor anderthalb Jahren auf einem Parteitag länglich debattiert und auch beschlossen wurde, wurde eine erneute Befassung abgelehnt.

Ein Versuch, die Gleichstellung von Mann und Frau aus dem Programm zu streichen, scheiterte

Ebenfalls fehl ging der Vorstoß, die vorgesehene dramatische Verschärfung des Asylrechts ein kleines bisschen aufzuweichen. Außenpolitiker Norbert Röttgen forderte, zumindest solche Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen, die bei Verfahren in sicheren Drittstaaten nach deutschem Recht als politisch Verfolgte anerkannt werden. „Das sind nur ganz wenige Menschen“, so Röttgen.

Die „Hartherzigkeit“ im Entwurf werde der CDU nicht gerecht. Röttgen erinnerte auch daran, dass das Grundrecht auf Asyl aus historischen Gründen im Grundgesetz steht. Doch das nützte nichts, der Änderungsantrag wurde von den Delegierten abgelehnt. „Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat überführt werden und dort ein Verfahren durchlaufen. Im Falle eines positiven Ausgangs wird der sichere Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren“, heißt es nun im Grundsatzprogramm. In Deutschland aufgenommen werden soll nur noch ein festzulegendes Kontingent.

Die Debatte sollte am Abend etwa über Atomkraft noch weitergehen, am Ende wird die Verabschiedung des gesamten Programms erwartet. Der Beginn des „Berliner Abends“ mit DJ Joe Chialo, dem Berliner Kultursenator, dürfte sich nach hinten verschieben.