Liegenschaftspolitik von CDU und SPD: Versprochen und gebrochen
Ob bei der Alten Münze oder einem Atelierhaus in Lichterfelde: Für Schwarz-Rot sind einstige liegenschaftspolitische Zusagen für Kulturorte wenig wert.
Denn klar wird bei dem Termin im Abgeordnetenhaus: Der Frust über die liegenschaftspolitischen Entscheidungen der Regierungskoalition aus CDU und SPD ist groß. Aus Sicht stadtpolitischer Initiativen und der Opposition geht es dabei nicht nur um die fehlende Verbindlichkeit. Auch die Frage, ob es unter Schwarz-Rot eine Rückkehr zur alten Liegenschaftspolitik der Nullerjahre geben wird, steht im Raum.
Der 2012 entstandene Runde Tisch hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft den Umgang mit landeseigenen Liegenschaften zu diskutieren. Das Gremium hatte damals einen wesentlichen Anteil daran, dass der Verkauf öffentlicher Grundstücke gestoppt wurde.
Ob direkt an die landeseigenen Wohnungsunternehmen oder per Konzeptverfahren an andere Akteure mit gemeinwohlorientiertem Vorhaben: Landeseigene Grundstücke sollten stattdessen im Sinne einer transparenten Liegenschaftspolitik nach der der Maßgabe des Nutzens für die Stadt vergeben werden.
Beispiel Alte Münze
Und heute? Allen voran die schwarz-rote Kehrtwende bei einem Atelierhaus in der Osdorfer Straße in Lichterfelde und beim Standort der Alten Münze in Mitte lassen inzwischen Zweifel daran aufkommen, wie transparent die Liegenschaftspolitik unter dem aktuellen Senat ausfällt.
Seit 2018 war am Standort der ehemaligen Münzprägeanstalt unweit des Roten Rathauses vorgesehen, einen Kulturstandort für die freie Szene und ein „House of Jazz“ zu etablieren. Das Land sollte dazu die Sanierung des Objektes stemmen. 50 Millionen Euro waren bereits im Sondervermögen Infrastruktur und Wachsende Stadt zurückgestellt worden.
Doch mit einem Beschluss des Hauptausschusses im Dezember vergangenen Jahres wurden diese Pläne auf den Kopf gestellt. Die Spreewerkstätten, die als Zwischennutzer bisher unter anderem einen Club in der Alten Münze betrieben haben, sollen in Direktvergabe einen langfristigen Mietvertrag erhalten.
Als Grund werden die Kosten für die Sanierung angegeben, die angesichts der gegenwärtigen Haushaltslage eine große Herausforderung seien. Birgit Möhring, die Geschäftsführerin der Berliner Immobilienmanagement (BIM), sagt, dass die beiseitegelegten 50 Millionen Euro zwar weiterhin für die ersten Bauabschnitt der Sanierungen aufgewendet werden. „Wir werden aber den Innenausbau nicht machen“, so die Chefin des Immobiliendienstleisters des Landes Berlin.
Zurück zur Logik der alten Liegenschaftspolitik
Es scheint, als würde die Alte Münze nicht das letzte Projekt bleiben, bei dem es unter Schwarz-Rot zu einem Umdenken kommen kann. Stichwort Ukraine-Krieg, Zinsentwicklung und Baukostensteigerung: Man habe es nun mal mit veränderten Rahmenbedingungen zu tun, sagt Sven Heinemann. „Deshalb ist es jetzt nicht so, dass alle Projekte, die hier versammelt sind und diskutiert werden, so umgesetzt werden können, wie man sich das vielleicht einmal vorgestellt hat.“
Steffen Zillich, Haushaltspolitiker der Linksfraktion, regt diese Argumentation auf. Natürlich könne man nicht damit rechnen, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen für jedes Projekt sofort Geld bereit stehe. Wer aber sage, man habe kein Geld für bestimmte Projekte, und gibt sie deshalb weg, kehre zurück zur Logik der alten Liegenschaftspolitik.
„Wir haben gelernt, dass Grundstücke es wert sind, auch für potenzielle Nutzungen beim Land Berlin zu bleiben“, sagt Zillich. „Ich will klarstellen, dass es nicht dazu kommen wird, dass etwas verkauft werden soll“, wehrt Heinemann für die Verbindlichkeits-SPD ab.
Letztlich stehen aber nicht nur Haushaltsbelange eigentlich geplanten Kulturstandorten auf Landesgrundstücken im Weg. Auch die Wohnungsbauabsichten des Senats tun ihr übriges. So etwa an der Osdorfer Straße im Steglitz-Zehlendorfer Ortsteil Lichterfelde.
Wohnungsbau schlägt Kulturstandort
Auf dem Grundstück in Landeshand sollte nach Willen der Vorgängerregierung aus SPD, Grünen und Linken ein Atelierhaus entstehen. Die zur Gewerbesicherung gegründete Genossenschaft „Eine für Alle“ sollte bauen und dafür für 60 Jahre das Erbbaurecht für das Grundstück erhalten. Im Dezember kippten CDU und SPD dann das Vorhaben. Im Gespräch ist nun eine Wohnnutzung.
Das Atelierhaus sollte wohlgemerkt aus privaten Mitteln finanziert werden. Nachdem im Januar 2023 der Erbbaurechtsvertrag geschlossen wurde, sei für die Planungen bereits eine knappe halbe Millionen Euro investiert worden, heißt es. Im Januar dieses Jahres sollte es eigentlich los gehen.
„Wir bitten sowohl die SPD und CDU, noch einmal in sich zu gehen“, sagt Frieder Rock von der Genossenschaft „Eine für Alle“. Denn: „Wir tun hier etwas, trotz gestiegener Baupreise, was das Land Berlin gewollt hat. Das Land Berlin hat dieses Grundstück ausgeschrieben, um ein Atelierhaus dort errichten zu lassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“