Metal-Band Khanate im Berghain: Tiefe Trance

Allein aufgrund der Lautstärke wird dieses Konzert in Erinnerung bleiben. Die US-Metalband Khanate trat in Berlin auf.

Bandfoto Khanate

Eine Art All-Star-Band ihres Genres: Khanate Foto: Ebru Yildiz

Wahre Druckwellen von Sound strömen einem in der großen Halle des Berliner Berghain entgegen. Umringt von sechs hochpotenten Lautsprecherboxen und den Verstärkerwänden auf der Bühne, durchzuckt einen jeder Schlag auf die Bassdrum, auf die Becken, jedes Gitarrenriff, jede Feedbackkschleife, jedes Gurren, Krächzen und Growlen von Sänger Alan Dubin.

Der oft unter seiner langen Mähne abgetauchte Dubin macht eine Zeremonie aus diesem Konzert, er hebt das Mikrofon wie ein heiliges Objekt in die Höhe, kreischt dann hinein, legt es längs auf die Handfläche, um es im nächsten Moment als Dirigierstab für seine Band zu verwenden.

Die US-Band Khanate tritt am Dienstagabend auf dem Main Floor des Berghain auf, die Gruppe ist eine der prägendsten Bands des urlangsam, fast zeitlupenartig gespielten Metal, des sogenannten Drone-Doom. Khanate, benannt nach den einst von Khanen regierten Herrschaftsgebieten, sind eine Art All-Star-Band dieses Genres.

Gemeinsame Sache machen hier Stephen O’Malley von Sunn o))), der umtriebige Gitarrist und Produzent James Plotkin, Schlagzeuger Tim Wyskida (Blind Idiot God/OLD) und eben Alan Dubin, der auch in mehereren Bands wirkte und wirkt (OLD/Gnaw).

Khanate veröffentlichten einflussreiche Alben in den frühen Nullerjahren, lösten sich dann 2006 auf. 2023 kamen sie überraschend mit dem Album „To Be Cruel“ zurück.

Endzeitliche Verse

Allein schon aufgrund der Lautstärke wird dieses Konzert in Erinnerung bleiben. Wagt man es kurz, die Ohrstöpsel aus den Ohren zu nehmen, kann man nicht anders, als die großen, quaderförmigen Lautsprecherboxen als Bedrohung wahrzunehmen.

Alan Dubin mit seinem einzigartigen Schreigesang, manchmal auch mit kehligem Flüstergesang, ist ein Hingucker und Hinhörer, er wandelt in Trance über die Bühne wie ein Teufelsaustreiber, singt endzeitliche Verse: „Cry with me/ Have you ever been cruel?/ Dare I be cruel?/ Pluck the legs of a spider/ The spider is us“.

O’Malley und Plotkin an E- und Bass-Gitarre lassen die Verzerrer und Verstärker sprechen, Schlagzeuger Wyskida hat bei den extrem langsamen Stücken den vielleicht schwierigsten Job: die Komposition zusammenzuhalten.

Sowieso fällt auf, wie komplex die Kompositionen Khanates sind, welche Rolle Pausen spielen, welche Dramaturgie jedem einzelnen Stück innewohnt. „Under Rotting Sky“ vom 2001er-Debütalbum bildet den abschließenden Höhepunkt, ein Stück mit vergleichsweise starken Melodiemustern und repetitiven Riffs. Khanate spielen vier Songs in knapp eineinhalb Stunden, und tatsächlich hätte man noch länger zuhören können.

Erfreulich auch, dass man zuvor mal wieder Caspar Brötzmann auf der Bühne bestaunen durfte. Einst mit seinem Caspar Brötzmann Massaker eine der interessanten Noise(rock)-Act Deutschlands, hat man in den vergangenen Jahren nicht mehr so viel von ihm gehört.

Im Berghain bearbeitet er zu Beginn des Abends solo seine Bassgitarre, schickt sie durch die Verzerrer, spielt reine Noise-Instrumentals. Brötzmann schlägt mit der Hand gegen den Gitarrenhals, spielt am Gitarrenkopf und am Steg herum, es entstehen grollende, bebende, rauschende, knarrende, surrende Töne. Für den Wahrnehmungsapparat ein fordernder, beglückender, kathartischer Abend.

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