„Der Anschlag
ist leider jüdische Realität“

So geht die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg mit dem Brandanschlag auf ihre Synagoge um

Interview Friederike Gräff

taz: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Anschlag auf die Synagoge in Ihrer Gemeinde gehört haben, Frau Schaub-Moore?

Claire Schaub-Moore: Ich habe nur gedacht: Wie müssen wir jetzt vorgehen? Mir ging es darum, die Sicherheit für die Mit­ar­bei­te­r:in­nen im Haus sicherzustellen.

Hat Sie der Angriff denn unvorbereitet getroffen?

Nein, wir bereiten uns ja schon lange auf einen potenziellen Anschlag vor, und als ich von den Hausmeistern hörte, dass wir gerade einen erlebt haben, dachte ich: Jetzt ist der Punkt gekommen, wo das, was wir bislang immer trainiert haben, zum Einsatz kommen muss. Das ist leider jüdische Realität.

Seit wann haben Sie in Ihrer Gemeinde ein Sicherheitstraining?

Unsere Sicherheitsvorkehrungen verschärft und ein Sicherheitsteam ausgebildet haben wir nach dem 7. Oktober. Davor hatten wir zwar auch Sicherheitsmaßnahmen, aber bei Weitem nicht so professionell begleitet.

Was bedeutet das für Ihr Sicherheitsgefühl?

Wir können uns nicht rund um die Uhr absichern und versuchen, jede Lücke zu schließen. Es ist am helllichten Tag passiert. Ich denke, wir hatten Glück im Unglück. Zwei sehr aufmerksame, beherzte Mitarbeiter von der Stadt haben die Flamme an unserer Tür gesehen. Der Molotowcocktail muss kurz davor geworfen worden sein. Sie haben sofort eingegriffen – so ist es nicht zu einem weitaus größeren Schaden gekommen oder sind gar Menschen zu Schaden gekommen. Aber natürlich ist unser Gebetshaus angegriffen worden und die Implikation ist, dass jüdisches Leben gefährdet ist.

Der Angriff passierte am Freitagmittag, Abends dann begann der Sabbat. Wie haben Sie den noch gefeiert?

Mir war es als erste Vorsitzende sehr, sehr wichtig, Ruhe und Normalität, soweit es ging, wieder herzustellen. Mir war es wichtig, dass die Gemeinde nicht das Gefühl bekommt, dass der Ort, wo wir gemeinsam den Sabbat begehen, ein unsicherer geworden ist – also nicht unsicherer, als er sowie in der Fantasie schon immer war. Die Polizei meinte, sie könnte das Gebäude freigeben, und das haben wir auch genutzt.

Foto: privat

Claire Schaub-Moore, 62, ist seit 2023 Vorsitzende der ­Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg. Mit 340 aktiven Mitgliedern ist sie die drittgrößte in Niedersachsen.

Das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Oldenburg schreibt, es habe in den letzten Monaten viele antisemitische Vorfälle in Oldenburg gegeben. Wie nehmen Sie das wahr?

Es gab und gibt immer wieder antisemitische Vorfälle, aber ich weiß nicht, ob man von einer Häufung sprechen kann. Deswegen, glaube ich, waren auch viele in der Stadt überrascht: Wie kann so etwas in unserem beschaulichen Oldenburg passieren?

Wie gehen Sie jetzt durch die Stadt?

Wie immer. Wie gesagt, ich glaube, dass Juden und Jüdinnen immer etwas aufmerksamer durch die Stadt gehen. Wir haben sehr viel Zuspruch erfahren, sehr viele Solidaritätsbekundungen, nicht nur die üblichen Floskeln. Das gibt auch ein Gefühl der Stärke. Ich glaube, wir können tatsächlich mutig durch die Stadt gehen und müssen uns nicht verstecken, auch nicht unsere Symbole.