Neues Album von Kle.ze: German Gothic

Seit 2017 fällt Kle.ze mit einer eigenwilligen Interpretation von Gestus und Habitus der Gothic-Band The Cure auf. Das trifft auch auf „Erregung“ zu.

Die Band Kle.ze steht vor einer Mauer

Sänger und Gitarrist Tobias Siebert mit Robert-Smith-Gedenkfrisur inmitten seiner Band-Kollegen Foto: Andreas Hornoff

Konzept und Schaffen der Band Klez.e sind sehr interessant schon insofern, weil ihre Musik sich auf latent bizarre Weise eigensinnig anfühlt. Das Befremdliche rührt daher, dass das Originelle bei Klez.e das Plagiat ist. 2002 gegründet, spielte die Berliner Band um Sänger und Gitarrist Tobias Siebert auf ihren ersten drei Alben einen mit Elektronischem versetzten Indiepop, der nicht langweilig, aber auch nicht sonderlich denkwürdig war.

Ab 2017 wurde alles anders: Klez.e veröffentlichten „Desintegration“, das nicht nur, was den Albumtitel anging, an die britische Gothicpopband The Cure erinnerte. Siebert baut sozusagen den Habitus von The Cures 1989 erschienenem „Disintegration“-Album in behutsam entstellender Weise nach. Nicht etwa, indem hier direkt gecovert wurde, eher im Gestus. Und vor allem in den Tonalitäten von Stimme und Bass. Das latent Vernebelte, das auch das Cure-Album „Faith“ an sich hatte, war gleichfalls präsent. Nicht zuletzt die Robert-Smith-Gedenkfrisur Sieberts ist ein starkes Zeichen.

Klez.e haben einen im England der mittleren Achtziger entstandenen Soundkosmos ins Deutschland des Jahres 2024 transferiert und daraus etwas im ansonsten ja flächendeckend eher austauschbaren hiesigen Indiepop-Zirkus Eigenständiges, Unverwechselbares entwickelt. Glaubwürdig im Sinne einer unverwechselbaren Stimme war hier paradoxerweise der Gesang, der klingt, als wolle er so sein wie der Gesang eines anderen, von The-Cure-Sänger Robert Smith nämlich.

Auf „Desintegration“ folgte das monumentale Live-Doppelalbum „November“. Für das neue Werk „Erregung“ haben Klez.e sich sieben Jahre Zeit gelassen. Der Sound ist lichter als auf „Desintegration“, es gibt sozusagen mehr Platz zwischen den einzelnen Tönen und damit mehr Transparenz. Aber die Sonne scheint hier nach wie vor nirgends, dafür sorgt gleich der siebenminütige Titelsong, der triste, angstbesetzte Schulhoferinnerungen mit einem ganz großen Weltverzweiflungspanorama verbindet. „Das Schubsen war nicht nur eine Phase/Es war eine ganz klare Haltung/Gegenüber der Liebe/Und Einsamkeit“.

Die ganze eklige Welt

Klez.e: „Erregung“ (Windig/Cargo); live: 21.3. „Club Stereo“ Nürnberg, 22.3. „Gold“ Ulm, 23.3. „Milla“ München, 26.3. „Trafo“ Jena, 27.3. „Hafenklang“ Hamburg, 28.3. „Lila Eule“ Bremen

Vom Schuluniversum, durch die totale Abwesenheit von Zärtlichkeit oder Freundlichkeit gekennzeichnet, springt der Text ins Große und Ganze: „Und ich spüre die Hitze der ganzen ekligen Welt / wie Hautfetzen, die kleben auf Asphalt, verzweifelt“.

Songtexte von Kle.ze lesen sich erneut so, als würde Depressivität hier als Erkenntnismodus fungieren. Aber nicht vollends depressiv, sondern noch sprechfähig, kurz vorm Abrutschen in die Traurigkeit. Eine letztes Aufbäumen, bevor es mit Karacho in den Keller geht. Und in diesem Selbstrettungsversuch findet das lyrische Subjekt noch einmal seine Sprache, um das, was es erleben musste, zu besingen und zu einem irgendwie allumfassenden, ewig währenden Krisenszenario zu verdichten.

Dass hier Autobiografisches und Artifizielles zusammengehen und das eine ohne das andere nicht zu haben ist, wird auch mitgedacht: „Und letztendlich ist das hier ja ein Kommentar unter einem Bild/Und jetzt fallen Tausende Kommentare unter eben diesem Bild“.

Alles, was auf dem Album nach „Erregung“, also dem Titelstück, kommt, entfaltet nicht mehr eine derartige Intensität. Tolle Songs allesamt, aber die Eröffnung ist in ihrem gepresst-überschießenden Gestus schon etwas sehr Besonderes. German Gothic, Nebel der Enttäuschung, Depression als Realismus. Die Welt durch die milchig-graue Brille betrachtet, aber mit messerscharfem Blick.

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