Sturm im Wasserglas

Gemeinsam mit der AfD wettert die Union gegen die Wahlkreisreform der Ampelkoalition

Von Pascal Beucker

Philipp Amthor redete sich in Rage. Einen „großen Schaden für die Demokratie“ würde die Ampelkoalition anrichten, wetterte der CDU-Abgeordnete am Donnerstag im Bundestag. Sie würde „tricksen“ und „Wahlkreise manipulieren“. Es sei die „staatspolitische Verantwortung der Opposition, die Regierung daran zu hindern, die Verfassung zu brechen, und genau das tun wir bei diesem Wahlrecht“. Deswegen lehne die Union den Gesetzentwurf der Ampel ab.

Ein erstaunlicher Auftritt angesichts eines eigentlich unspektakulären Vorgangs. Denn die von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachte Wahlkreisreform ist realiter nur ein ganz kleines Reförmchen. Die gewichtigste Änderung ist die Umverteilung eines Wahlkreises von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Die hat ihren Grund darin, dass die bisherige Verteilung der Wahlkreise auf die Länder nicht mehr deren Bevölkerungsanteil entspricht.

Aufgrund der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung in Sachsen-Anhalt reduziert sich dort die Zahl der Wahlkreise von neun auf acht, der bisherige Wahlkreis Anhalt wird aufgelöst. Im Gegenzug bekommt Bayern den neuen Wahlkreis „Memmingen – Unterallgäu“, der aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu besteht. Ansonsten werden in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen die Beschreibungen von Wahlkreisen geändert, ohne dass das Auswirkungen auf die Wahlkreisabgrenzung hat. Mit diesen Änderungen wird kommunalen Gebiets- und Namensänderungen Rechnung getragen, ein bloß formaler Akt ohne weitergehende Relevanz.

Der Ampelgesetzentwurf basiert auf den Vorschlägen der Wahlkreiskommission, eines unabhängigen Sachverständigengremiums. Die sieben Fachleute werden vom Bundespräsidenten eingesetzt, Vorsitzende ist Bundeswahlleiterin Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden.

So wirklich Grund zur Aufregung besteht also nicht. Trotzdem wetterten Union und AfD am Donnerstag in trauter Gemeinsamkeit gegen die Wahlkreisreform. „Es geht um politischen Machterhalt“, ereiferte sich der AfD-Abgeordnete Christian Wirth in der Debatte am Donnerstag. Mit dem Gesetz würde die AfD benachteiligt, weil sie bislang den Direktkandidaten in dem Wahlkreis stellen würde, der in Sachsen-Anhalt wegfallen soll. Wie Wirth behauptete auch CSU-Mann Alexander Hoffmann, von dem neuen Wahlkreiszuschnitt in Bayern würden die Grünen bevorteilt.

Am Montag hatte CDU-Chef Friedrich Merz bereits gesagt, mit der Änderung solle erreicht werden, dass der bayerische Wahlkreis Augsburg-Stadt „nicht zu viele CSU-Wähler hat“ und Claudia Roth „bei der nächsten Bundestagswahl in Augsburg-Stadt ihren Wahlkreis behalten kann“. Allerdings hat Roth noch nie den Wahlkreis gewonnen, sondern zog stets über die grüne Landesliste ins Parlament ein. Und auch wenn sich das ändern würde, wäre das für die Kräfteverhältnisse im Bundestag ohne Belang. Denn anders als in den USA setzt sich der Bundestag nicht nach dem Mehrheits-, sondern nach dem Verhältniswahlrecht zusammen. Als „einigermaßen absurd“ bezeichnete die Linksabgeordnete Petra Sitte denn auch das Tohuwabohu der Union. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann forderte CDU und CSU auf: „Zügeln Sie Ihre Sprache.“