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Die letzten Vorstellungen

Bei gleich mehreren Hamburger Kinos hat der Filmemacher Dennis Albrecht die Schließung begleitet. Aus dem über Jahre entstandenen Material hat er „KinoKinoKino“ kompiliert – einen überraschend unterhaltsamen Dokumentarfilm

Wo die Wiederbelebung scheiterte: Blick in das Jahrzehnte lang stillgelegte „Rialto“ in Hamburg-Wilhelmsburg   Foto: Dennis Albrecht

Von Wilfried Hippen

Ausgerechnet: Aus dem gerne und nicht erst seit gestern beklagten Kinosterben lässt sich gutes Kino machen. Einen der frühsten und schönsten Spielfilme über eine der vielen Lichtspiel-Krisen hat Regisseur Peter Bogdanovich schon mit seinem Debüt gedreht: „The Last Picture Show“ (1971). Ein paar Jahre später, 1976, legte dann sein deutscher Kollege Wim Wenders mit „Im Lauf der Zeit“ nach, einem Abgesang auf die deutschen Provinzkinos.

Bei Dokumentar­filmerInnen scheint es fast ein Reflex zu sein, dass sie ihre Kameras herausholen, wenn die Kinos ihrer Kindheit und Jugend geschlossen werden. So hat der in Koblenz aufgewachsene Douglas Wolfsperger im Jahr 2018 das Ende seines Heimatkinos verarbeitet; heraus kam der dann doch erstaunlich komische Film „Scala Adieu – Von Windeln verweht“. Der Titel spielt darauf an, dass das Kino da einer Drogeriekette Platz machen musste. Auch in „KinoKinoKino“ von Dennis Albrecht nun sieht man in einer Vorher/Nachher-Fotosequenz, wie aus dem traditionsreichen „Streit’s“ am Hamburger Jungfernstieg eine Rossmann-Filiale wurde.

Albrecht hat zwischen 2008 und 2013 gleich drei Hamburger Kinos mit zu Grabe getragen: den „Ufa-Palast am Grindel“, das „Rialto“ im Stadtteil Wilhelmsburg und, eben, das „Streit’s“ an der Binnenalster. Dabei entstanden jeweils Filme und Videos in unterschiedlichen Formaten: Kurz- und Werbefilme, Ausschnitte aus einer Webserie, Interviews und oft auch nur wackelige Handyaufnahmen von jeweils letzten Vorstellungen. Als positives Gegenbeispiel hat Albrecht schließlich aber auch die erfolgreiche Rettung eines Kinos dokumentiert, des „Savoy“ am Steindamm, unweit des Hauptbahnhofs. Dort drehte er dann auch die letzten Aufnahmen für den Film: während eines Workshops für Schulkinder, den er selbst angeleitet hatte.

„KinoKinoKino“ ist ein Kompilationsfilm, den Albrecht aus den über hundert Stunden eigenen Film- und Videomaterials montiert hat. Da gibt es zwangsläufig große Qualitätsunterschiede – Albrecht versucht aber auch gar nicht erst, seinem Film eine auch nur halbwegs einheitliche Form zu geben. Inhalt ist ihm eindeutig wichtiger als Stil, und so montiert er auch mal Online-Kommentare anonym bleibender User als Untertitel ein – aber genauso einen Satz aus einem Gespräch mit dem Filmemacher Hark Bohm. Interviewpassagen, etwa mit dem Leiter des Hamburger Film- und Fernsehmuseums, Volker Reißmann, oder dem Theaterleiter des „Savoy“, Gary Rohwedder, zeigt Albrecht in Schwarz-Weiß – damit erschöpft sich sein filmkünstlerischer Ehrgeiz aber auch schon.

Der Film ist dennoch sehenswert und kurzweilig, gerade weil Albrecht zum dem Thema in vielen unterschiedlichen Formaten gearbeitet hat. So drehte er 2013 die Webserie „Filmstadt“ mit kleinen Geschichten aus der Hamburger Medienbranche. Seine sowohl professionellste als auch originellste Arbeit ist ein Werbespot für eine Veranstaltungsreihe mit Filmen in Originalfassungen, die seinerzeit im „Streit’s“ liefen: Da sitzt ein Paar an der schummrigen Bar des Kinos – und beiden ist peinlich, dass sie nur in schlechter deutscher Synchronisation flirten können.

Albrecht dokumentiert auch, wie leidenschaftlich in den 2000er-Jahren um die Rettung des Ufa-Kinos am Hamburger Grindelberg gerungen wurde. So kommt ein Vertreter der Initiative „Pro Grindel e.V.“ zu Wort, man sieht Aufnahmen von einer Krisenversammlung, bei der ein Betreiber aus Nürnberg von seinen Plänen erzählt, das Hamburger Kino zu übernehmen. Aber auch bei dem schlussendlich nicht abzuwendenden Umbau war er dabei.

Regisseur Dennis Albrecht versucht gar nicht erst, seinem Film eine auch nur halbwegs einheitliche Form zu geben. Inhalt ist ihm eindeutig wichtiger als Stil

Das „Rialto“ in Wilhelmsburg, südlich des Hamburger Hafens, war seit den 1980er-Jahren nicht mehr bespielt worden, als eine Gruppe von Kinobegeisterten versuchte, es zu restaurieren und wieder zu eröffnen – und 2013 schließlich scheiterten. Dagegen war das „Streit’s“ in bester Innenstadtlage einst das vornehmste Premierenkino der Stadt. Über die Jahre scheiterten gleich mehrere Betreiber daran, aus den Verlustzahlen zu kommen, und so verlor die Hamburger Kinolandschaft 2013 auch ihr im doppelten Sinne teuerstes Schmuckstück.

Albrechts Film ist bei alldem kein Trauergesang: Zum einen beweist ja das „Savoy“ im Stadtteil St. Georg, dass in jenem Krisenjahr auch die Neueröffnung eines Kinos möglich war. Und noch optimistischer stimmt vielleicht die Tatsache, dass seitdem in der Stadt kein Kino mehr geschlossen werden musste. Kaum erwähnt wird in „KinoKinoKino“ denn auch Corona – es scheint, als habe die Hamburger Kinolandschaft sich rechtzeitig „gesund geschrumpft“. Hoffentlich muss Albrecht seine Kamera so bald nicht mehr auspacken, um weitere Kapitel zu drehen.

„KinoKinoKino“. Regie: Dennis Albrecht, Deutschland 2023, 61 Minuten

Vorführungen: heute, 18 Uhr, Kulturwerkstatt Hamburg-Harburg, Kanalplatz 6;

Di, 13. 2., 20.30 Uhr, „Rineuto Lichtspiele“, Mokrystraße 1;

Do, 22. 2., 18 Uhr, Kulturhaus Süderelbe, Am Johannisland 2

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