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Nur Antisemitismus wird definiert

In ihrer Klausel bezieht sich die Kulturverwaltung auf die IHRA-Definition. Die ist umstritten

Von Uta Schleiermacher

Die erste Reaktion gegen die Klausel kam von Kulturproduzent*innen. Gegen den „Bekenntniszwang zur umstrittenen IHRA-Definition von Antisemitismus“ protestierten mehr als 4.000 Un­ter­zeich­ne­r*in­nen eines offenen Briefs. Doch worum geht es ihnen genau? Wogegen richtet sich die Kritik?

Wer Fördergelder beantragt, muss seit Ende Dezember unterschreiben, dass er*­sie sich positioniert „gegen jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung sowie gegen jede Form von Antisemitismus gemäß der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung“. In ihrem Brief kritisieren die Kul­tur­pro­du­zen­t*in­nen insbesondere, dass sich die Klausel auf diese Definition bezieht.

Die IHRA definiert Antisemitismus als „eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeinde­institutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

Nicht rechtsverbindlich

Die Kul­tur­pro­du­zen­t*in­nen merken an, dass die IHRA-Definition eine „nicht-rechtsverbindliche Arbeitsdefinition“ sei, gar nicht vorgesehen als Grundlage für staatliche Sanktionen, sondern für Monitoring. Der Verfassungsblog teilt diese Einschätzung: „Erfahrungen aus Kontexten, in denen die IHRA-Arbeitsdefinition als Regulierungsinstrument diente, zeigen, dass sie für erhebliche Einschränkungen von Grundrechten genutzt wird – sehr häufig auch gegen Juden, die die Politik der jeweiligen Regierung Israels kritisieren“, heißt es dort in einer Beurteilung. Laut Verfassungsblog ist so eine Definition für die Bekämpfung von Antisemitismus auch nicht erforderlich: „Das Antidiskriminierungsrecht kennt keine vergleichbare staatliche Definition von Rassismus, Sexismus oder Homo- und Transphobie.“

Das ist auch in der Klausel des Senats so: Nur Antisemitismus wird konkret benannt und definiert, alles andere ist unter „jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung“ zusammengefasst und wird in der Klausel nicht weiter aufgeschlüsselt.

Kultursenator Joe Chialo (CDU) hatte im Kulturausschuss mitgeteilt, dass er die Klausel gegen sämtliche -ismen verstanden wissen wolle. Sie richte sich gegen Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Antiziganismus, Ableismus, Homophobie und Transphobie.

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