Modulare Flüchtlingsunterkunft: „Sisyphus und Tetris“
Bis Jahresende sollen in Berlin sechs neue Unterkünfte für Geflüchtete fertig werden. Sie bieten Platz für rund 2.300 Menschen.
Das Gebäude in der Quedlinburger Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf ist seit fünf Jahren in der Planung. Im Erdgeschoss wird eine öffentliche Kita eingerichtet. 60 neue Plätze für Kinder, auch aus der Nachbarschaft, werden zur Verfügung stehen.
Es ist die erste MUF, die das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in diesem Jahr beziehen kann. Bis Jahresende sollen fünf weitere Objekte dazukommen und damit 2.300 neue Plätze für Unterbringung ermöglichen. Ziel ist eigentlich, dass Geflüchtete nach kurzer Zeit in eigene Wohnungen umziehen – realistisch werden sie laut dem LAF aber fünf bis zehn Jahre hier bleiben.
Für das LAF sind die MUF-Wohnungen aber ein Schritt zur Verbesserung. „Unser Ziel ist es, in diesem Jahr einen Weg aus der Notunterkunft zu finden“, sagt der neue LAF-Präsident Mark Seibert, als er sich die MUF am Donnerstag anguckt. „Das wird ein Marathon.“
Zahl der Asylsuchenden steigt um 14 Prozent
Ein Marathon, denn die Zahl der Asylsuchenden in Berlin ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent gestiegen. 2023 hat das Land rund 16.700 Asylbewerber:innen aufgenommen. 2022 waren es 14.700. Dazu kamen Menschen aus der Ukraine: 15.000 waren es 2023, im Jahr 2022 waren noch rund 68.000 nach Berlin geflüchtet.
Asylsuchende und Geflüchtete leben immer länger in Notunterkünften – etwa in Tegel. Auf dem alten Flughafengelände hat das LAF eine Notunterkunft eingerichtet. Da die Zahl der Asylsuchenden steigt und es an regulären Unterkünften mangelt, bleiben Geflüchtete inzwischen durchschnittlich ein halbes Jahr in der dortigen Großunterkunft.
Die Vermittlung von Geflüchteten in reguläre Unterkünfte ist eine der größten Herausforderungen für das LAF. „Es ist eine Mischung aus Sisyphus und Tetris“, erklärt Präsident Mark Seibert. „Wir stapeln hier aber keine Möbel. Das sind Menschen, um die wir uns kümmern“, sagt er bei seinem Besuch.
In die Quedlinburger Straße werden keine Schutzsuchenden einziehen, die gerade nach Deutschland gekommen sind, erklärt Seibert. In die neuen Räume werden Menschen aus der Umgebung einziehen, die „relativ weit im Integrationsprozess“ seien. Dadurch werden an anderer Stelle Plätze für neu ankommende Geflüchtete frei.
Seiberts Ziel wäre eigentlich ein „großer Leerstand“ in Tegel. Allerdings bemerkt er: „Es gibt überhaupt keinen Grund zu glauben, dass sich die Weltlage ändert, dass die Kriege enden, dass es nicht zu einer Klimakatastrophe kommt.“ Und er räumt ein: „Wir werden uns weiterhin mit dieser Herausforderung auseinandersetzen müssen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja