: Kein Platz in der ersten Reihe mehr
Mit dem Verlust des Fraktionsstatus verliert die Linkspartei Geld und parlamentarische Rechte. Als „Gruppe“ könnte sie manches davon retten
Von Daniel Bax
Durch den Abgang der zehn Abgeordneten, die sich zur Wagenknecht-Gruppe formieren, ist die verbleibende Linksfraktion zu klein, um ihren Fraktionsstatus zu behalten: Schon bisher lag sie nur knapp über der Mindestgröße von 37 Abgeordneten. Daher wird am 6. Dezember die „Liquidation“ der Fraktion eingeleitet.
Um als Fraktion anerkannt zu werden, muss man mindestens 5 Prozent aller Abgeordneten auf sich versammeln. Das ist nach dem Abgang nicht mehr der Fall. Sowohl die 28 verbliebenen Abgeordneten der Linkspartei wie auch die neun Abgeordneten um Sahra Wagenknecht werden beim Ältestenrat des Bundestags beantragen, als Gruppe anerkannt zu werden – so ist das Prozedere, das die Geschäftsordnung des Bundestags vorgibt. „Da entscheiden andere über uns“, sagt Dietmar Bartsch schicksalsergeben. Parlamentarische Gruppen bekommen weniger Geld und Redezeit im Bundestag als Fraktionen.
Mit dem Fraktionsstatus verlieren die verbliebenen Abgeordneten aber noch weitere Privilegien. Sie können keine Gesetzentwürfe, Anträge oder Entschließungsanträge mehr einbringen. Sie können keine Kleinen und Großen Anfragen mehr stellen, keine Aktuelle Stunde und keine namentlichen Abstimmungen mehr beantragen. Die linke Opposition im Bundestag wird dadurch deutlich geschwächt. Im Plenarsaal werden sie nach hinten rücken, weil sie auch den prominenten Sitz in der ersten Reihe verlieren.
Mit ihrem Fraktionsstatus verliert die Linke auch ihre Mitgliedschaft in Ausschüssen. Klaus Ernst, der mit Wagenknecht geht, dürfte seinen Vorsitz im Energie- und Klimaausschuss verlieren. Petra Pau dagegen könnte ihren Posten als Vizepräsidentin des Bundestags behalten, hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas angedeutet. Dietmar Bartsch und André Hahn werden weiter dem so genannten Vertrauensgremium beziehungsweise dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) angehören können, da sie vom gesamten Bundestag in diese Gremien gewählt wurden.
Eine „Liquidation“ gab es bisher nur nach Wahlniederlagen: 2013 löste sich die FDP-Fraktion im Bundestag auf, nachdem sie den Wiedereinzug verpasst hatte. 2002 musste die PDS, die Vorgängerin der Linken, schon einmal ein solches Verfahren durchlaufen. Damals hatten nur zwei Direktkandidatinnen den Sprung in den Bundestag geschafft. Und 1952 wurde die Fraktion der KPD zur Gruppe hinabgestuft, nachdem sie einen ihrer Abgeordneten verlor. Eine „Liquidation“ ist eine komplizierte Sache und kann sich lange hinziehen. Die FDP beauftragte 2013 ihren Haushaltsexperten Otto Fricke als Liquidator, um Restgelder zu verwalten, Verträge mit Angestellten zu beenden oder Verträge – etwa mit IT-Firmen – zu kündigen. Wegen vieler ungeklärter Rechtsfragen habe die Abwicklung über vier Jahre gedauert, sagte Fricke in einem Interview. „Das ist grob gesagt wie ein Insolvenzverfahren.“
Als Fraktion erhielt die Linke im Vergangenen Jahr rund 11,5 Millionen Euro an Zuwendungen. Auf 9,3 Millionen Euro beliefen sich die Personalkosten für ihre über 100 Beschäftigten. Wenn die Fraktionsgröße unterschritten wird, zahlt die Verwaltung des Bundestags keine Fraktionsmittel mehr. Dadurch ist unklar, wie die Mitarbeitenden weiter bezahlt werden können. Geschätzt wird, dass zwischen der Hälfte und zwei Drittel von ihnen gehen müssen. Wie der Spiegel unlängst berichtete, berät die Bundesagentur für Arbeit die rund 100 von Entlassung bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktion. Üblicherweise verfügen sie über Arbeitsverträge, die bis zum Ende der Legislaturperiode gelten. Mit der offiziellen Auflösung der Fraktion im Dezember muss vielen von ihnen gekündigt werden, vielen vermutlich mit Frist bis zum 31. März 2024. Wer bleiben darf, muss möglicherweise Gehaltskürzungen in Kauf nehmen.
Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linken nahesteht, muss sparen und deswegen Stellen abbauen. Die schlechten Ergebnisse der Linkspartei bei den letzten Bundestagswahlen wirken sich auch auf deren Finanzen aus. Zudem könnten die Zuwendungen aufgrund des neuen Stiftungsfinanzierungsgesetzes, das Anfang 2024 in Kraft treten soll, in Zukunft deutlich zurückgehen.
Auf einer Belegschaftsversammlung informierte die Geschäftsführung kürzlich über ihre Sparpläne, wie das Neue Deutschland berichtete. Frei werdende Stellen sollen zunächst nicht wieder besetzt werden. Derzeit sind rund 300 Menschen bei der Stiftung beschäftigt.
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