Kommentar von Anna Lehmann über die Kanzlerrede zur Haushaltskrise
: Just say sorry

Nein, eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede hat der Bundeskanzler nicht gehalten. War auch nicht zu erwarten, dazu ist er zu sehr Olaf Scholz. Aber etwas mehr als die nüchterne Aufzählung bekannter Tatsachen, etwas mehr Empathie für die breite Verunsicherung im Land und eine Spur von Reue hätte man von seiner Regierungserklärung zur gegenwärtigen verkorksten Haushaltslage schon erwarten können.

Oppositionschef Friedrich Merz nannte Scholz einen Klempner der Macht. Das trifft nicht ganz zu. Klempner sind sehr gefragt, Scholz eher nicht, seine Umfragewerte sind auf einem Tiefpunkt. Der Kanzler verpasste am Dienstag die Gelegenheit, den Trend umzukehren. Ein „Sorry, ich habe die Lage falsch eingeschätzt“ hätte ihm geholfen. Als die Bundesregierung auf dem Höhepunkt der Coronakrise einen Oster-Lockdown verhängen wollte und damit eine Welle der Empörung auslöste, nahm Angela Merkel diese „Osterruhe“ selbst zurück und entschuldigte sich nachträglich dafür: Es sei einzig und allein ihr Fehler gewesen.

Bei Olaf Scholz, der die hanebüchene Umgehung der Schuldenbremse als Finanzminister einst veranlasst hatte, vermisst man diese Größe. Man habe im Grund alles richtig gemacht, so seine Kernaussage. Hätte man gewusst, wie die Rich­te­r:in­nen urteilen, hätte man es anders gemacht. Hätte, hätte Richterkette. Dabei gab es Warnungen, dass es verfassungswidrig sein könnte, Notkredite als Puffer für anderes zu verwenden.

Es stimmt, nicht die Ampel hat damit begonnen, im Schatten der Schuldenbremse immer neue Schattenhaushalte einzuführen. Allein unter Merkels Ägide sind 15 solcher „Sondertöpfe“ geschaffen worden, wie FDP-Fraktionschef Christian Dürr anmerkte. Und ja, man kann auch Zweifel an der Absolutheit des Urteils haben. Hatte nicht dasselbe Verfassungsgericht erst vor zwei Jahren den Staat zum Klimaschutz verpflichtet? Eine Andeutung, wie diese zwei Verfassungsgüter – der Klimaschutz, die nötige Milliardeninvestitionen in eine treibhausgasneutrale Gesellschaft einerseits und die Haushaltsdisziplin andererseits – in Einklang zu bringen sind, wäre hilfreich gewesen. Andererseits hat das Verfassungsgericht auch nicht die Schuldenbremse erfunden, sondern wacht lediglich über deren Einhaltung. Verantwortlich dafür, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz steht, sind Union und SPD.

Es wäre schön gewesen zu erfahren, wie der Bundeskanzler mit dieser juristischen Zwangslage nun politisch umzugehen gedenkt. Doch auch dazu äußerte er sich nicht. Das schürt neue Verunsicherung. Aber für eine Entschuldigung ist es ja nie zu spät.