Minderheitenschutz in Bayern: Die Gaudi hat ein Loch

Der neue Landtag zeigt, wie rechts der Freistaat ist. Anständige Konservative müssen jetzt die Demokratie retten, meint unser bayrischer Autor.

Ein verwackeltes Bild zeigt Hubert Aiwanger und Markus Söder inmitten einer Menschenmenge

Aiwanger und Söder: Verschwommen und profillos? Chaotischer Wahlabend im Bayerischen Landtag Foto: dts/imago

Zumindest benannte man sie als das, was sie waren: „Richtige Nazis.“ Doch gleichzeitig lachten die Leute in meinem Heimatdorf am Chiemsee über die zwei Brüder, die in mehreren selbstverlegten Büchern den Holocaust bestritten. Über die Haftstrafe des einen schüttelten sie den Kopf – der Mann, ein Bauer, sei mit 90 Jahren doch viel zu alt dafür. Sie dachten, das Problem würde sich mit der Zeit schon von alleine lösen.

Das Problem aber hat sich nicht erledigt. Es ist quicklebendig und zeigt sich seit den jüngsten bayrischen Landtagswahlen noch deutlicher. Über vier Prozentpunkte hat die AfD hinzugewonnen, deren jüngster Abgeordneter Daniel Halemba (22) schon am Tag der konstituierenden Sitzung des Parlaments kurzzeitig festgenommen wurde.

Der Vorwurf: Volksverhetzung. „Sieg Heil“ stand im Gästebuch von Halembas Burschenschaft in Würzburg, darunter sein Name. In seinem Zimmer fanden die Behörden, „an prominenter Stelle“, den Ausdruck eines SS-Befehls von 1939. Doch anstatt sich vom Jungnazi zu distanzieren, inszenieren sich seine AfD-Fraktionskolleg:innen als Opfer und sprechen von „staatlicher Repression“. Sie wollen keinen Rechtsstaat, sie wollen einen rechten Staat.

Das Mehrheits-Bayern sollte sich keine Illusionen machen. Auch wenn die kommende Zeit für Jüdinnen und Juden, Migrantisierte und Queers im Freistaat eine besondere Unsicherheit bedeutet – alle nehmen Schaden. Was das Alltagsklima angeht, das Image Bayerns als internationaler Innovationsstandort oder die öffentliche Gesundheit.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Sie belügen die Bevölkerung, die sie bezahlt

Katrin Ebner-Steiner, AfD-Frak­tionsvorsitzende, verbreitete bei der ersten Parlamentsdebatte nicht nur das übliche blaue Rassistengift, sondern behauptete in einer perfiden Umdrehung der Tatsachen, dass die Impfungen gegen Covid-19 lebensgefährlich seien. Ohne Immunität, die parlamentarische, saß auch Halemba mittlerweile mit im Plenum.

Er und seine Kol­le­g:in­nen müssen sich nichts Neues einfallen lassen, sie können weiter hetzen und die Bevölkerung belügen und dafür monatlich 9.215 Euro Diät kassieren. Auch die vielen Mitarbeitenden verdienen gut am öffentlichen Geld, tatsächliche Probleme lösen sie nicht. Und die bayrische Regierung? Ist kein Bollwerk gegen rechts. Das haben die letzten Monate gezeigt.

Ministerpräsident Markus Söder normalisierte Antisemitismus, als er nach der Hetzblattaffäre um Hubert Aiwanger an seinem Vize festhielt und ohne Not wieder mit ihm koalierte. Aiwanger lügt, wenn ausgerechnet er von Antisemitismus als in den letzten Jahren importiert spricht. Auch er gefährdete mit seiner Impfskepsis die Bevölkerung. Auch er griff queerfeindlich in die Freiheit einer Stadtbibliothek ein.

„Eine elegante Präambel in einem Koalitionsvertrag allein wird unsere Demokratie nicht retten“, sagte zur Parlamentseröffnung der Bauer, Krankenpfleger und Alterspräsident Paul Knoblach von den Grünen. Ein Ordnungsgeld, wie es jetzt aufgrund der entgleisten Rhetorik im Landtag eingeführt wird, genügt auch nicht, genauso wenig Haftstrafen.

Besonders Konservative sind jetzt gefragt

Es kommt jetzt auf jene an, die rechtes Selbstbewusstsein aufbrechen, wo immer es sich festigt. Wenn einer im Wirtshaus „blöd daherredet“, mit einer Mahnwache zur Pogromnacht oder einem Dorf-CSD.

Ganz besonders kommt es auf die Konservativen an. Darauf, ob sie das tatsächliche Lösen von tatsächlichen Problemen einfordern. Darauf, ob sie sich an die Seite von De­mo­kra­t:in­nen stellen, die ihnen sonst vielleicht zu bunt und tätowiert sind. Oder lachend beziehungsweise schweigend an der Seite von Rechten stehen.

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Redakteur im Politik-Team der wochentaz. Schreibt öfter mal zu Themen queer durch die Kirchenbank. Macht auch Radio. Studium der Religions- und Kulturwissenschaft, Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Mehr auf stefan-hunglinger.de

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