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Siegesgewissheit
und Süffisanz

Die Junge Union strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und feiert, dass die Bundesregierung in den Debatten um Migration und Antisemitismus wankt

Aus Braunschweig Cem-Odos Güler

Für Friedrich Merz ist es am Wochenende ausgemachte Sache. „Die CDU ist zurück, wir sind die stärkste politische Kraft“, sagt der Unionschef in Braunschweig beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU). Die gesamte Halle applaudiert am Samstag für Merz, und insgesamt sind die jungen Konservativen bei ihrem diesjährigen Bündnistreffen in Niedersachsen in Feierlaune: Die gewonnenen Landtagswahlen in Bayern und Hessen führen zusammen mit den schlechten Beliebtheitswerten der Bundesregierung zu einem gänzlich neuen Selbstbewusstsein bei der Union. Dabei ist es wieder Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der die Freude mit einer ganz eigenen Agenda zu konterkarieren weiß.

JU-Chef Johannes Winkel hat nach den Terrorangriffen der Hamas in Israel die Tagesordnung umgeworfen. Die Jugendorganisation verbuchte es als Zeichen ihrer eigenen Wirkungsmacht, dass Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, ihrer Einladung nach Braunschweig gefolgt ist.

Nachdem Prosor mit Merz unter den Klängen der israelischen Nationalhymne in die Braunschweiger Volkswagen-Halle defilierte und bekannte, die jungen Konservativen hätten ihm einen Empfang wie der Pop-Queen Madonna bereitet, richtete er nachdenkliche Worte an die Delegierten. „Es ist eine Zeitenwende in unserer Geschichte“, sagte der Botschafter. „Besonders ihr als junge Deutsche sollt das verstehen. Wer diese grausamen Taten verübt, verachtet die Menschenwürde, nicht nur in Israel“, so Prosor mit Blick auf die Hamas.

Für die JU ist es eine Selbstverständlichkeit, an diesem Wochenende das Thema Migration unter den Hammer zu nehmen. Die JU sieht sich auf der Siegerseite. „Es ist beachtlich, wie der politische Wind sich in Deutschland dreht bei diesem Thema“, sagte Winkel. Kurz vor Beginn des Treffens in Braunschweig war ein Interview mit dem Bundeskanzler im Spiegel erschienen, in dem Olaf Scholz (SPD) forderte, in „großem Stil abzuschieben“. Die JU wertete die Einlassungen Scholz' als reines Lippenbekenntnis.

Winkel, dessen Verhältnis zu Merz als distanziert gilt, führte in einer nachdenklichen Eröffnungsrede an, dass sich die Welt in einem Wandel befinde, wie zuletzt 1968. „Nur, dass das Pendel in die andere Richtung schlägt.“ Die politische Linke erlebe einen „Realitätsschock“ nach dem anderen.

Alle laufen an diesem Wochenende bei der JU auf: Merz, Söder, EVP-Chef Manfred Weber, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Und auch der neue Star der Jungkonservativen kommt: der markige CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Linnemann stellt unter Beweis, dass er die Jobbeschreibung als Scharfmacher, der auch um die Konjunktur alter Vorschläge weiß, verstanden hat. Manche hätten in der Vergangenheit von deutscher „Leitkultur“ gesprochen, so Linnemann. Er bevorzuge den Begriff der „Zugehörigkeitskultur“. Applaus im Saal.

Vor Beginn der Konferenz in Braunschweig hatte CSU-Chef Markus Söder eine Forderung aufgestellt, die in den Reihen der Union für einige Irritation gesorgt haben dürfte. „Wir brauchen eine neue Regierung. Die Union ist bereit, Verantwortung zu übernehmen“, hatte der Bayerische Ministerpräsident am Freitag gesagt.

Bei der JU vergnügten sich die Parteichefs von CDU und CSU anstelle von Überlegungen um einen möglichen Regierungseintritt mit Süffisanz über den Zustand der Ampel.Merz sagte: „Wir haben noch zwei Jahre vor uns, möglicherweise sogar mit dieser Regierung.“ Er wolle das Migrationsthema so schnell wie möglich angehen und biete der Ampel weiter die Hilfe der Union für Verschärfungen in der Gesetzgebung an.

Am Anfang seiner Rede spricht Merz mit tränenerstickter Stimme, er berichtet vom Besuch eines jüdischen Gymnasiums in Berlin am Vortag. Der Parteichef ist gerührt von dem Treffen mit den Abiturient*innen, die ihm von ihrer Angst erzählt haben, mit der sie sich in Deutschland auf der Straße bewegten. Mit Tränen in den Augen richtet Merz einen Appell an die Junge Union: „Geht auf die Menschen zu, geht auf die Gemeinden zu.“

Die politische Linke erlebe einen „Realitätsschock“ nach dem anderen, meint JU-Chef Vogel

Markus Söder, spricht nach der Mittagspause mit ausreichend Abstand zum CDU-Chef, so bleibt der Schlagabtausch zwischen den Unions-Alphas auf der Bühne aus. Der CSU-Chef schlägt jovialere Töne an. Nach den ausgebliebenen Bierzeltreden des bayrischen Wahlkampfs scheint sich beim CSU-Chef einiges angestaut zu haben.

Dabei nimmt er wieder einmal die Grünen ins Visier. „Wir haben einen Klimaminister. Wir haben einen Philosophieminister. Wir haben aber keinen Wirtschaftsminister“, sagt er mit Blick auf Robert Habeck. „Scholz muss die Minister der Grünen eigentlich sofort entlassen“, ruft Söder. Der Saal johlt.

Was die Konsequenz daraus wäre, darauf geht der CSU-Chef nicht ein. Was eine eigene Kanzlerkandidatur betrifft, gibt er sich wieder mal geheimnisvoll: „Wir sind als Union auf dem Weg nach vorne, aber wir dürfen uns nicht täuschen, es wird nicht leicht.“ Und: „Auch für uns werden schwere Entscheidungen zu treffen sein. Es zählt dann, dass wir zusammenhalten.“

Zur Halbzeit der Bundesregierung scheint dieser Zusammenhalt zwischen CDU und CSU tatsächlich so stark wie lange nicht mehr. Doch wie es um diese Einigkeit bestellt wäre, sollte es die Bundesregierung nicht mehr schaffen, sich zusammenzuraffen – das steht auf einem gänzlich anderen Blatt.