„Sie sagte uns, dass sie uns liebt“

Soldatin Karina Ariev wurde an einer Militärbasis verschleppt. Später stieß ihre Familie auf ein Video von ihr – mit blutendem Gesicht. Ihr Verbleib ist ungewiss. Die taz sprach mit ihrer Schwester Sasha

Karina Ariev wird von ihrer Familie vermisst Foto: Sasha Ariev

Karina Ariev wurde vergangenen Samstagmorgen von palästinensischen Terroristen der islamistischen Hamas an der Militärbasis Nahal Oz an der Grenze zu Gaza verschleppt. Ariev hatte kurz zuvor eine Schicht am Grenzposten absolviert. Seit dem 23. Oktober 2022 ist sie bei der Israelischen Armee. Die taz sprach mit Sasha Ariev, Karinas Schwester, über ihren letzten Anruf vor der Verschleppung.

„Am Samstag um 6.30 Uhr weckte mich der Anruf meiner Schwester Karina. Sie war panisch, hysterisch und weinte. Im Hintergrund hörte ich andere Mädchen weinen und schreien. Sie bat mich, vorsichtig zu sein. Gegen 7 Uhr schrieb sie mir: ‚Wenn ich nicht überlebe, pass bitte auf unsere Eltern auf. Versprich mir, dass ihr weiterleben werdet und den Kopf nicht hängen lasst. Gebt nicht auf.‘

Als meine Eltern und ich sie später ans Telefon bekamen, sagte sie uns, dass sie uns liebt. Dann hörten wir Stimmen, die auf Arabisch schrien. Wir versuchten Karina zu beruhigen, ihr zu sagen, dass sie bald gerettet werden würde, dass sie bewaffnet ist. Aber es waren einfach zu viele Terroristen, Hunderte von ihnen hatten die Grenze überquert und die Militärbasis erobert. Um 7.40 Uhr schrieb Karina in unsere Familienchatgruppe: ‚Terroristen. Sie sind hier.‘ Danach brach der Kontakt ab.

Stundenlang durchsuchten wir Telegram nach Hinweisen auf ihren Verbleib. In einem arabischen Kanal stießen wir auf ein Video, das sie mit blutendem, malträtiertem Gesicht in einem Jeep der Hamas zeigt, neben ihr zwei andere, sehr junge Mädchen, die ich nicht kenne. Es klingt komisch, aber wir haben Glück. Immerhin gibt es ein Video, das sie lebendig zeigt. So viele Familien wissen gar nichts über den Verbleib ihrer verschleppten Angehörigen. Eine gute Freundin meiner Schwester namens Aviv wurde vor Ort getötet, eine weitere, Danielle, ist spurlos verschwunden.

40 Stunden später bestätigte uns die Armee, dass Karina wohl als Geisel genommen wurde. Seitdem haben wir nichts mehr gehört. Die Regierung unternimmt nicht genug, um die Geiseln freizubekommen. Es gibt keine Verhandlungen, keinen geplanten Gefangenenaustausch – stattdessen bombardieren sie einfach weiter Gaza.“ Protokoll: Anastasia Tikhomirova