: Im Schatten von Gaza
Am Wochenende bombardierte die israelische Luftwaffe auch eine Terrorzelle unter einer Moschee im Westjordanland. Der Gazakrieg droht sich im Westen und Norden auf neue Fronten auszuweiten
Von Jannis Hagmann
Im Krieg gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas hat Israels Luftwaffe am Wochenende auch ein Ziel im Westjordanland bombardiert. Nach Armeeangaben handelte es sich um eine Zelle der Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad unter einer Moschee in Dschenin. Die Moschee liegt im palästinensischen Flüchtlingslager von Dschenin, das als militante Hochburg gilt. Nach palästinensischen Angaben kamen dabei zwei Palästinenser ums Leben.
Dass Israel Luftangriffe im Westjordanland ausübt, ist selten, doch bereits im Juli hatte die Armee mit rund einem Dutzend Luftangriffen Ziele in Dschenin angegriffen. Sie galten damals als die schwersten Luftangriffe im Westjordanland seit mehr als 15 Jahren.
Die Lage im Westjordanland spitzt sich im Schatten des Gazakriegs kontinuierlich zu. Drei weitere Palästinenser wurden in dem Gebiet am Sonntag bei Zusammenstößen mit israelischen Soldat*innen getötet. Damit liegt nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah die Zahl der Menschen im Westjordanland, die in den letzten zwei Wochen getötet wurden, bei 90 – ein deutlicher Anstieg zu der Opferzahl seit Jahresbeginn, die ohnehin schon enorm hoch war. So wurden seit Januar 2023 insgesamt 286 Palästinenser*innen bei israelischen Militäreinsätzen, teilweise auch nach eigenen Anschlägen getötet.
Unruhig bleibt die Lage auch an Israels Nordgrenze, wo die libanesische Hisbollah-Miliz das israelische Militär mit steten Angriffen in Schach hält. Israel griff als Antwort auf Raketenangriffe aus dem Libanon am Sonntag erneut mehrere Ziele im Süden des Landes an. Die Hisbollah, die in den letzten zwei Wochen immer wieder Israel angriff, hatte am Samstag erklärt, dass seit Beginn des Gazakriegs 19 Hisbollah-Kämpfer durch israelische Angriffe getötet worden seien. Zudem kam ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters ums Leben. Auf israelischer Seite wurden mindestens vier Menschen getötet und mehrere verletzt.
Unterdessen forderten UN-Organisationen erneut eine humanitäre Feuerpause für den Gazastreifen, wo Israel am Wochenende seine Angriffe noch verstärkte. Trotzdem wurden am Sonntag erneut Hilfslieferungen aus Ägypten in den Küstenstreifen gebracht, nachdem bereits am Samstag 20 Lastwagen den Grenzübergang Rafah überquert hatten. Nach Ansicht von UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sind pro Tag jedoch mindestens 100 Lastwagen mit Hilfsgütern nötig. Die Ladung der 20 Lastwagen vom Samstag entspreche nur etwa 4 Prozent der durchschnittlichen täglichen Einfuhren vor Beginn des Kriegs, hieß es.
Israel hat mittlerweile bekanntgegeben, dass weiterhin 212 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden. Die Zahl könnte noch ansteigen, da offenbar in etlichen Fällen noch nicht geklärt werden konnte, ob Vermisste tot oder verschleppt sind. Nach Armeeangaben vom Sonntag wurden bislang die Leichen von 769 Zivilist*innen identifiziert, die bei dem Hamas-Massaker am 7. Oktober getötet wurden. Mehrere Hundert Leichen wurden demnach noch nicht identifiziert.
„Tausende von Polizist*innen sind 24 Stunden am Tag im Einsatz und beteiligen sich an der schwierigen Arbeit der Identifizierung“, zitierten israelische Medien am Sonntag die israelische Polizei.
Zwei erste Geiseln, eine Mutter und Tochter mit israelischer und US-amerikanischer Doppelstaatsbürgerschaft, waren am Freitag freigelassen worden. Katar hatte zwischen der Hamas und den USA vermittelt, anschließend wurden die beiden Frauen dem Roten Kreuz übergeben, das sie an das israelische Militär übergab.
Bei einem Nahost-Gipfel in Kairo hatten etliche Staats- und Regierungschefs am Samstag unter anderem über die Geiseln beraten, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstagabend mitteilte. Zudem wandte sie sich nach dem Treffen explizit gegen Stimmen, die ein Aushungern der Menschen in Gaza fordern. „Es geht nicht um abstrakte Debatten, sondern um Menschen. Daher möchte ich sehr deutlich diejenigen, die jetzt Aufforderungen stellen, keine humanitäre Hilfe nach Gaza zu schicken, zurückfragen: Sollen wir wirklich mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza, die Hälfte von ihnen Kinder, verdursten lassen?“
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