piwik no script img

Alles doch nicht so schlimm

Spaniens Regierung wiegelt ihre Äußerungen pro Hamas ab

Aus Madrid Reiner Wandler

Der Nahostkonflikt wird immer mehr zum Problem der alten und wohl auch kommenden spanischen Regierungskoalition aus der sozialistischen PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem linksalternativen Bündnis Sumar. Mitten in den Verhandlungen für eine Neuauflage der Minderheitsregierung machen namhafte Sumar-PolitikerInnen durch alles andere als ausgewogene Aussagen zum Thema auf sich aufmerksam. Sie sorgen damit nicht nur für Missstimmung innerhalb des Regierungslagers, sondern auch für einen diplomatischen Konflikt mit Israel.

Vor allem Ione Belarra, Spaniens bisherige Sozialministerin und Generalsekretärin der in Sumar aufgegangenen Podemos sorgt für Aufregung. Sie forderte angesichts des „Willens der Vernichtung des palästinensischen Volkes“ nicht nur die Einstellung von Waffenverkäufen an Tel Aviv, sondern auch die „Einstellung der diplomatischen Beziehungen“. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu möchte sie vor dem Internationalen Menschengerichtshof wegen Völkermord angeklagt sehen. Wer dem nicht folge, „mache sich mitverantwortlich“, griff sie Sánchez an. Spaniens Ministerpräsident vertritt eine abwägende Position, indem er sowohl den Terror der Hamas als auch die Antwort Israels kritisierte.

Es ist genau das Wort „Terror“, das Belarra, die als einzige Ministerin an propalästinensischen Demonstrationen in Madrid teilnahm, und anderen Sumar-PolitikerInnen nur in Zusammenhang mit den Kriegshandlungen der israelischen Armee über die Lippen kommt. Ihr Fraktionskollege Enrique Santiago, ehemaliger Staatssekretär und Chef der Kommunistischen Partei, erklärte nur zwei Tage nach dem Angriff der Hamas, dass dieser die logische Folge der „zionistischen Apartheidpolitik“ sei. Auch er weigerte sich, das Wort Terrorismus auf die Hamas anzuwenden. „Wir wissen ganz einfach nicht, was eine Terrorgruppe ist. Jeder definiert das so, wie er will. Und bisher entspricht die Aufnahme von Organisationen in die Terroristenlisten den politischen Kriterien der Staaten“, erklärte der Kommunist, der sich in den sozialen Netzwerken auch als Menschenrechtsanwalt bezeichnet. Bei dem Aufruf zu den Demonstrationen, an denen auch Santiago teilnahm, waren sie freilich nicht so zimperlich. „Dringlichkeitskundgebung gegen den israelischen Terror“ stand auf den Plakaten.

Die Reaktion aus Israel ließ nicht lange auf sich warten. Die Botschaft in Madrid verurteilte die „Äußerungen einiger Mitglieder der spanischen Regierung“ „auf das Schärfste“. Diese seien „unmoralisch“. Spaniens Außenminister José Manuel Albares bezeichnete das Schreiben als eine „nicht freundschaftliche Geste“. In jeder Regierung gebe es unterschiedliche Meinungen, versuchte er gegenüber der Presse zu beschwichtigen. Das Letzte, was Sánchez und die Sozialisten während der Regierungsbildung brauchen können, ist ein offener Koalitionsstreit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen