Die Wahrheit: „Immer im Dienst an der Sache“
Das exklusive Wahrheit-Interview: Nicht einmal in der DDR war wirklich alles gut, will eine neue Initiative herausgefunden haben.
taz: Herr Schmonz, man kennt Sie schon seit Längerem als einsatzbereiten Citoyen und Gründer der „Bewegung aufrechter Gutbürger“. Doch nun haben Sie sich auch einer besonderen Form der Vergangenheitsbewältigung gewidmet. Was steckt dahinter?
Siegfried Schmonz: Sie meinen sicher meine Initiative „Ostalgie einmal anders – In der DDR war nicht alles gut“. Die Sache war einfach fällig.
Wieso? Was war denn nicht gut?
Sehen Sie sich doch an, was da dieser Tage bei den Feierlichkeiten zum 3. Oktober alles nicht erwähnt wurde! Haben Sie da etwas von der Berliner Mauer oder dem Eisernen Vorhang gehört? Als ob der Staat damals nur von gegenseitiger Wertschätzung und dem Abbau gesellschaftlicher Schranken gelebt hätte.
Fallen Ihnen noch mehr Beispiele ein? Von der Mauer hat man doch schon hier und da gehört. Es soll sogar noch Reste davon geben.
Ja, danke auch! Die werden dann auch gleich zu Kunst erklärt. Dabei war das Baumaterial ausgesprochen marode und schlecht. Wenn man damit Brücken gebaut hätte, dann aber Gute Nacht Elbüberquerung …
Aber ist es denn mehr als dreißig Jahre nach der Wende noch lohnenswert, mit verschärfter Erinnerung die Zustände im anderen Teil Deutschlands anzugehen?
Und ob! Wenn ich das nämlich schon höre – anderer Teil Deutschlands … Das war doch schon immer Bayern. Da hat doch nichts gestimmt.
Was denn nicht?
Nehmen Sie zum Beispiel die Grenzkontrollen! Von Deutschland nach Deutschland. Da musste man sich hinten jeweils einen Ein- und Ausreisestempel reinhauen lassen, die so mächtig waren, dass der Pass mir nichts, dir nichts voll war und erneuert werden musste. Nichts als Stress!
Aber davon hat doch der normale DDR-Bürger, also der kleine Mann auf der Straße nichts gemerkt.
Ja bitte, aber doch nur, weil die Straße so voller Schlaglöcher war! Manchmal auch gar nicht richtig geteert. Oft nur gefedert. Da blieb das Stolpern nicht aus.
Waren Sie denn damals überhaupt mal drüben?
Bin ich blöd? Ich war nicht mal in Holland. Ich war immer gerne hier, schon immer ein Gutbürger. Allen Kanzlern habe ich gerne beigewohnt!
Das klingt jetzt aber nicht ganz jugendfrei.
Dann nehmen Sie es bitte so, dass ich allen zu Diensten war.
Kommen wir zurück zur DDR. Hatten Sie denn wenigstens hier im Westen Erlebnisse mit ihren Menschen?
Na ja schon, aber höchst zwielichtige! Bekannte aus dem Thüringer Wald haben uns zu jedem Weihnachten per Bahnkurier einen Weihnachtsbaum geschickt. Da war einfach nichts zu machen. Wenn man will, fing dadurch damals das Waldsterben schon an. Viel eher, als der Borkenkäfer davon Wind bekommen hat.
Was meinen Sie denn im Rückblick etwa zur Berichterstattung in den DDR-Medien? Haben Sie da Erfahrungen gemacht?
Und ob! Und höchst niederschmetternde! Immer wenn ich am Fernsehen gekurbelt habe, um Ostzone reinzukriegen, war das Bild so schlecht, dass auch mir fast übel wurde. Die haben zwar oft Eishockey gezeigt, aber das Bild war immer so krisselig, dass der Puck überall zu sein schien. Das war gezielte Verwirrung.
Dann bleiben wir doch einmal beim Sport. In fast allen Disziplinen war die untergegangene DDR ja bekanntermaßen äußerst erfolgreich.
Ja und? Ich will ja gar nicht mit dem Doping kommen. Denn was hatte das Volk davon? Etwa Medaillen für alle? Im Gegenteil, die Kunst des Flanierens ist völlig verloren gegangen. Gerade im sogenannten „Gehen“ haben die Kader immer alle Medaillen abgeräumt. Und das war dann so stilbildend, dass praktisch alle merkwürdig unnatürlich zu Fuß unterwegs waren.
Gibt’ s noch mehr, was Sie im Rückblick auszusetzen haben?
Ich könnte bis heute Abend geißeln.
Dann bitte. Beispiele.
Können Sie sich noch an die alte Fahne der DDR erinnern? Die rote Fahne haben Sie gar nicht erst ins Auge gefasst, sondern ins Schwarz-Rot-Gold diesen albernen Zirkel mit dem Hammer gekreuzt. Was sollte das denn? Hallo, was sollte denn im Arbeiter-und-Bauern-Staat der Bauer mit einem Zirkel anfangen? Sollte er in seiner LPG Kornkreise in die Weizenfelder der Magdeburger Börde zirkeln. Und dazu diese Hymne: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“. Lächerlich. Wie kann man denn in Ruinen wissen, in welcher Richtung es da zur Zukunft geht?
Gut. Dann gestatten Sie abschließend die Frage, wie Sie im Rückblick auf die alte Bundesrepublik schauen. War denn da auch nicht alles gut?
Kann sein.
Haben Sie da keine Erfahrungen?
Nein, ich bin kaum rausgegangen, war aber als Gutbürger immer im Dienst an der Sache.
Dann wünschen wir Ihnen auch weiterhin gutes Gelingen und vielen Dank für dieses Gespräch.
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