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Nachruf auf Fernando BoteroMeister des Volumens

Seine Kunst sei voluminös, üppig und sinnlich. Kolumbiens größter Künstler ist mit 91 Jahren verstorben.

Sein Onkel wollte, dass er Stierkämpfer wird, er jedoch zeichnete lieber: Fernando Botero Foto: Fredy Builes/reuters

Bogota taz | In seiner Heimat Kolumbien nennt man seine Männer und Frauen trotzdem gern „gordos“ und „gordas“ – Dicke. Egal ob Generäle, Bischöfe, Jesus, Prostituierte oder die Mona Lisa. Die Augen sind klein wie Rosinen im Hefeteig, ebenso die Münder. Der Rest ist Fleisch, viel Fleisch. Selbst das Obst in seinen Stillleben ist prall. Am Freitag ist „Kolumbiens größter Künstler aller Zeiten“, wie die Zeitung El Tiempo schreibt, mit 91 Jahren in Monaco gestorben.

Botero wurde in einfachen Verhältnissen in Medellín geboren, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens. Er war vier Jahre alt, als sein Vater starb. Sein Onkel wollte, dass er Stierkämpfer würde, und schickte ihn auf die Jesuitenschule. Doch der Junge zeichnete die Stiere lieber. Er schmiss die Torero-Ausbildung und fertigte Illustrationen für die Medelliner Zeitung „El Colombiano“.

Nach dem Abitur zog er nach Bogotá. Von dem Preisgeld eines Kunstwettbewerbs konnte er nach Europa reisen. Die Museumsbesuche dort würden seine Arbeit ein Leben lang prägen – vor allem die des Museo del Prado in Madrid und der Uffizien in Florenz. Seine Versionen von Klassikern der alten Meister sind ungeheuer witzig. Gleichzeitig hat selbst seine voluminösere Mona Lisa mit den Knopfaugen noch Würde.

Sein Markenzeichen begann mit einer Mandoline

Die glatten Oberflächen und gefälligen Farben stehen im Kontrast zu den dunklen Details. Machtmenschen malte Botero gewöhnlich mit einem Hauch Satire. Man kann sie schwer ernst nehmen, wie sie völlig überdimensioniert und mit beschränkter Mimik wichtige Posen einnehmen. Später schuf er auch Skulpturen. Riesige, kurvige Werke in Bronze und Marmor.

Das mit dem Volumen begann 1956. Botero malte eine Mandoline, und das Loch im Resonanzkörper geriet ihm zu klein. Was ihm aber gut gefiel, weil das Instrument dadurch insgesamt größer wirkte. Die Idee wurden sein Markenzeichen.

Die Bewohnerïnnen von Medellín und der dazugehörigen Region Antioquia gelten als geschäftstüchtig und heimatverbunden. Beidem macht Fernando Botero Ehre. Sein Aufstieg zum Weltruhm begann in den 60ern in New York, wo er mit 200 Dollar in der Tasche angekommen war. Dort traf er den deutschen Kunstkurator Dietrich Mahlow. Der organisierte erfolgreiche Ausstellungen des Kolumbianers in Deutschland, wie in anderen deutschen Nachrufen betont wird. Von da an ging seine Karriere bergauf.

In seiner Kunst lebt das Kolumbien seiner Kindheit

Botero schuf rund 3.000 Bilder und 300 Skulpturen und arbeitete bis ins hohe Alter. Seine Bilder und Skulpturen wurden weltweit ausgestellt, seine Ausstellungen waren Publikumsschlager. 2022 wurde seine Skulptur „Mann zu Pferd“ bei Christie’s in New York für 4,3 Millionen Dollar versteigert. Damit brach er seinen eigenen Rekord als teuerstverkaufter lebender lateinamerikanischer Künstler.

In den 70ern erlitt er den größten Schicksalsschlag seines Lebens. Sein Sohn Pedro starb mit fünf Jahren bei einem Verkehrsunfall. Der Künstler bereiste später viele Länder und hatte bis zuletzt mehrere Wohnsitze. Trotzdem lebten in seinen Bildern vor allem die kolumbianischen Dörfer seiner Kindheit fort: Gässchen, Wohnzimmer, Badezimmer. Menschen beim Tangotanzen in Medellín.

Er war außerdem ein großzügiger Mäzen. 2.000 stiftete er einen Teil seiner Kunstsammlung und seiner eigenen Werke dem Museo Banco de la República in Bogotá und dem Museo de Antioquia in Medellín – weil ihn selbst Museen so geprägt hatten.

Seit 2002 stehen vor dem Museum in Medellín auf der Plaza Botero 23 seiner Skulpturen. Schon immer in Koexistenz mit Sexarbeiterinnen und Obdachlosen – und zunehmenden Touristïnnen-Scharen aus aller Welt. Als der jetzige Bürgermeister dieses Jahr einen Polizeizaun um den Platz aufstellen ließ, um den Zutritt zu regulieren, protestierte der Maestro mit einem Brief: Der Platz sollte für alle Bürgerïnnen sein.

Maler der Gewalt und des Friedens

Sein Heimatland betrat er zeitweise jahrelang nicht – auch aus Angst vor Entführung. 1995 tötete eine Bombe im Zentrum von Medellín 23 Menschen, verletzte um die hundert – und zerfetzte die Skulptur „Der Vogel“, die der Künstler der Stadt gestiftet hatte. Botero bat, sie nicht zu reparieren. Stattdessen fertigte er später eine weitere Taube an und ließ sie daneben stellen – als Hommage an den Frieden.

Mit dem Krieg in seiner Heimat beschäftigte er sich erst, als er über 70 war. 2004 eröffnete im Nationalmuseum in Bogotá eine Ausstellung mit neuen gestifteten Werken. Die Bilder zeigten Entführungen, Massaker, einen Fluss voller Leichen, Beerdigungen, Autobomben und Guerilleros. „Wenn sie einen Eindruck beim Publikum hinterlassen, habe ich meine Mission erfüllt, die Absurdität der Gewalt zu zeigen“, sagte Botero damals.

Das meinte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro wohl, als er am Freitag auf X (ehemals Twitter) schrieb: „Fernando Botero, der Maler unserer Traditionen und Fehler, ist tot. Der Maler unserer Tugenden. Der Maler unserer Gewalt und des Friedens.“ In Boteros Geburtsstadt Medellíns hat der Bürgermeister sieben Tage Stadttrauer angeordnet. Botero wird nicht zurückgeführt, sondern in Italien begraben, wo seine dritte Frau seit Mai beerdigt ist.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels stand, die Zeitung El País habe Fernando Botero „Kolumbiens größter Künstler aller Zeiten“ genannt. Das trifft nicht zu, die Aussage stammt von der Zeitung El Tiempo. Wir haben die Stelle korrigiert.

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1 Kommentar

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  • Ich wünsche eine gute Reise, Herr Botero. Bis später !