: Sag’s mit Blumen
Wer fair gehandelte Blumen kauft, unterstützt bessere Arbeitsbedingungen auf den Plantagen und den Gesundheitsschutz in der Produktion
Topf-, Beet und zahlreiche Schnittblumen gehören zum Sortiment fair gehandelter Pflanzen. Den ersten Platz nehmen Rosen ein. Jede dritte in Deutschland verkaufte Rose ist eine Fairtrade-Pflanze, die auf einer der 73 zertifizierten Farmen in Afrika, Lateinamerika oder Asien angebaut wird. Im Jahr 2022 wurden mehr als 484 Millionen gesiegelte Rosen nach Deutschland eingeführt. Ein Großteil stammt aus Kenia und Äthiopien.
Verglichen mit dem Vorjahr sank der Absatz fair gehandelter Rosen 2022 um rund 147 Millionen: „Vor allem die gestiegene Inflation und der Ukrainekrieg haben dabei eine große Rolle gespielt und die Preise nach oben getrieben“, sagt Edith Gmeiner, Sprecherin des Vereins Fairtrade Deutschland.
In Zeiten knapper Kassen und steigender Inflation würden sich Verbraucher:innen in Deutschland den ein oder anderen Blumenkauf verkneifen. Das hat auch Folgen für die Beschäftigten. Denn die Blumenfarmen erhalten von den Importeuren eine zusätzliche Fairtrade-Prämie in Höhe von 10 Prozent des Exportpreises für jede verkaufte Blume, die an ein so genanntes Fairtrade-Prämienkomitee geht. Dieses Gremium, das von den Beschäftigten vor Ort gewählt wird, entscheidet, in welche Projekte das Geld fließt. „Ich kenne eine kleine Geburtsklinik, die mit dem Geld aufgebaut wurde, es werden Kinderkrippen gefördert oder Bildungsprojekte finanziert“, zählt Gmeiner Beispiele auf.
Zudem profitieren die Beschäftigten auf den Plantagen von dem Siegel, das klar definierte ökologische und vor allem soziale Standards vorschreibt: Feste Arbeitsverträge, Versammlungs- und Gewerkschaftsfreiheit sowie klare Arbeitszeitregelungen gehören zu den Vorgaben. Außerdem müssen Fairtrade-zertifizierte Blumen- und Pflanzenfarmen ihren Beschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn oder mehr zahlen.
Dass der gesetzliche Mindestlohn „nicht immer auch existenzsichernd ist“, weiß auch Gmeiner. Fairtrade-zertifizierte Farmen könnten allerdings nicht am Markt bestehen, wenn nur sie verpflichtet wären, die Löhne auf ein existenzsicherndes Lohnniveau anzuheben, während der Rest der Schnittblumenindustrie dies nicht bräuchte. Es gebe ein Spannungsfeld zwischen den wichtigen und berechtigten Interessen der Beschäftigten und denen der Plantagen, die auf einem internationalen Markt konkurrenzfähig sein müssten. Die Berechnung der Höhe eines existenzsichernden Lohns ist von Land zu Land unterschiedlich. Fairtrade setzt auf die sogenannte Anker-Methode, um die entsprechenden Löhne und Einkommen länderspezifisch zu ermitteln.
Der Einsatz von Chemikalien lässt sich zwar nicht ganz vermeiden, für gesiegelte Farmen gelten aber strengere Umweltstandards. So gibt es zum Beispiel Listen, auf denen Pflanzenschutzmittel vermerkt sind, die auf keinen Fall eingesetzt werden dürfen. Vor allem unter die Rubriken Arbeits- und Gesundheitsschutz fallen Trainings, in den die Beschäftigten den sicheren Umgang mit Chemikalien erlernen. Zwingend vorgeschrieben ist unter anderem eine angemessene Schutzkleidung.
Die Zertifizierungsgesellschaft Flocert, eine Tochter von Fairtrade International, überprüft vor Ort, ob Produzenten und Händler die Fairtrade-Standards einhalten und die Produzentenorganisationen den festgelegten Mindestpreis und die Fairtrade-Prämie ausgezahlt bekommen.
„Wir können nicht rund um die Uhr vor Ort sein. Deswegen haben wir Whistleblowing-Kanäle etabliert, die Beschäftigte oder Medienvertreter:innen nutzen können, um Verdachtsfälle und konkrete Missstände bei Fairtrade-Organisationen zu melden“, sagt Sonja Eberle Jones, Leiterin der Abteilung Marketing und Kommunikation bei Flocert.
Dieses Jahr wurden bereits über 80 Verdachtsfälle angenommen und untersucht. „Im Blumensektor und aus Kenia haben wir seit Januar 2023 vier konkrete Anschuldigungen erhalten, alle rund um den Themenkomplex Arbeitsbedingungen. Typischerweise bestätigen unsere Untersuchungen die Hälfte dieser Verdachtsfälle teilweise oder ganz, mit ernsthaften Konsequenzen für das Unternehmen.“
Werden bei den Untersuchungen Verstöße gegen Kernprinzipien von Fairtrade belegt, kann Flocert die betroffene Firma suspendieren, bis sie Prozesse oder Gremien eingerichtet hat, die die Missstände beheben. Bei schweren Verstößen, etwa Fälle von Zwangsarbeit, kann die betroffene Firma mit sofortiger Wirkung dezertifiziert werden. Volker Engels
www.flocert.net
www.fairtrade-deutschland.de
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