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Von der Nacht verschluckt

Schönheit und Vielfalt: Berghain-Türsteher Mischa Fanghaenel dokumentiert mit seinen Fotos die Berghain-Szene

Von Andreas Hartmann

Ein Berghain-Türsteher stellt Porträtfotografien von Personen aus dem Berghain-Dunstkreis aus, und was passiert? Vor dem Eingang zur Ausstellung bildet sich eine riesige Schlange. Was daran liegt, dass während der am Sonntag zu Ende gegangen fünftägigen Ausstellung nicht jeder dahergelaufene Passant oder kunstbeflissene Art-Week-Interessierte den Veranstaltungsort Acht Berlin in Mitte betreten kann, um Mischa Fanghaenels Soloshow „Nachts“ zu begutachten. Sondern vorher müssen Slots online gebucht werden. Alle zwei Stunden wird eine neue Ladung Besucher eingelassen.

Die sehen dann auch zum Teil angemessen berghainmäßig aus. Einige haben sich an diesem Samstagnachmittag mit Fetischklamotten zurechtgemacht, so als würde die nächste vielversprechende Nacht bereits zur Kaffe-und-Kuchen-Zeit beginnen.

Drinnen hängen in einem geräumigen Galerieraum die Arbeiten Fanghaenels, der neben Sven Marquardt nun schon der zweite Berghain-Türsteher ist, der als Fotokünstler reüssiert. Die Personen auf den auf Aluminium gedruckten Fotos wirken so, als würden sie von der Nacht verschluckt werden. Jedes einzelne Bild wird von einem tiefen Schwarz dominiert, teilweise sind nur noch Gesicht und Hände zu erkennen.

(Artikelteilsperrung)

Fanghaenel ist bei seiner Ausstellung vor Ort und zeigt einem auf seinem Handy den Aufruf, den er damals auf Instagram lanciert hatte. Und dem zu der Zeit unterbeschäftigte DJs und andere mit dem Berghain eng verbundene Personen folgten, die Fanghaenel großteils persönlich von seiner Arbeit an Berlins härtester Tür kannte. Zu der Zeit sei für ihn nicht einmal klar gewesen, ob es noch eine Clubkultur nach Corona geben werde, sagt Fanghaenel. Daraus sei die Idee entstanden, den Zusammenhalt einer Szene noch einmal abzubilden, bevor der im schlimmsten Fall von den Folgen der Pandemie zersprengt wird. Es sei ihm darum gegangen, einmal zu zeigen, „wie schön Menschen sein können“, vor allem aber darum, wie „divers und vielfältig“ der Berghain-Kosmos sei. Auch wenn es inzwischen oft heißt, Berghain-Besucher seien mit ihren ewig schwarzen Klamotten ganz schön uniformiert.

Tatsächlich sieht man die unterschiedlichsten Gestalten auf den Fotos; wen sie abbilden, steht nicht da. Aber zum Glück bekommt man von einer der Ausstellungsmacherinnen ein paar Erklärungen zur Hand. Der ältere Herr in Anzug und Krawatte ist demnach ein Berghain-Stammgast, der nicht selten direkt nach der Arbeit zum Tanzen geht. Der Typ in einem Lederoutfit, in dem er so aussieht, als hätte er es sich gerade im Führerbunker bequem gemacht, ist DJ Dixon. Und der da, der seine Hände ausstreckt, als wolle er sie einem Kleinkind reichen, ist Berghain-Resident-DJ Ben Klock. Man sieht zudem den klassischen Berghain-Schwulen mit Schnauzer und richtig viel Muskeln. Eine Frau, die regelmäßig Berlins berühmtesten Club besucht und immer oben ohne ist. Ein Typ trägt ein einfaches Micky-Mouse-T-Shirt, eine Frau ein schlichtes Kleid und einer einen Cockring.

Elon Musk sollte sich die Arbeiten vielleicht mal ansehen. Um sich inspirieren zu lassen bei seinem Outfit, falls er noch einmal versuchen sollte, ins Berghain zu kommen.

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