Regieren wird in Thüringen noch schwieriger

RRG-Minderheitsregierung strebt trotz Abstimmungseklat einen Haushalt mit der CDU an

Von Michael Bartsch

Das triumphierende Grinsen schwand einfach nicht aus dem Gesicht des Thüringer CDU-Landtagsfraktionschefs Mario Voigt beim MDR-Interview. Am Donnerstagabend nach dem Abstimmungscoup mit AfD und FDP zur Senkung der Grunderwerbsteuer lobte er die Entlastung junger Familien und tadelte die „Parteitaktik“ der rot-rot-grünen Minderheitskoalition. Deren Vertreter wie Linken-Fraktionsvorsitzender Steffen Dittes aber sprechen von einem „elementaren Präzedenzfall“. Die Frage ist, wie das bisherige Arrangement mit der CDU zur Mehrheitsfindung im Landtag noch fortgeführt werden kann.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt ist am Vormittag jenes „schwärzesten Tages seiner parlamentarischen Laufbahn“, wie Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow formulierte, auch der Entwurf des Landeshaushalts 2024 ins Parlament eingebracht worden. Drei Jahre lang hatten sich Linke, SPD und Grüne in quälenden Haushaltsverhandlungen Kompromisse abringen lassen, weil ihnen vier Stimmen zur Mehrheit fehlen. Der Zeitpunkt des Zusammengehens von CDU, AfD und FDP war also pointiert gewählt. Und wohlabgestimmt, wie mehrere Quellen bestätigen.

Testballon der CDU fürs Wahljahr 2024

Für Steffen Dittes handelt es sich deshalb nicht um eine Bagatelle wie eine ähnliche Machtdemonstration der Opposition beim Spielhallengesetz. „Wir können den Haushalt mithilfe von AfD und FDP auch gegen die Regierung gestalten“, sei die Botschaft der Union. Das komme einer „Quasi-Koalitionsbildung“ gleich. „Wer aber übernimmt dann die Verantwortung?“, fragt Dittes. Mit Blick auf das Wahljahr 2024 sei Thüringen nun ein Testballon für eine mögliche Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung durch die AfD oder gar eine Koalition mit ihr.

Madeleine Henfling, Parlamentarische Geschäftsführerin der kleinen Fraktion der Bündnisgrünen, hat das CDU-Vorgehen nicht überrascht, wohl aber, wie eiskalt sie es durchgezogen hat. Denn die „krasse Beschleunigung des Rechtsrucks“ der Union insgesamt sei seit Monaten offenkundig. Obschon sich RRG „bis zum Erbrechen kompromissbereit“ gezeigt habe, werde das Aushandeln konkreter Vorhaben immer schwieriger.

Henfling und Dittes erklären dies mit „Verzweiflung, gar Panik“ einer Thüringer CDU, die in Umfragen bei 20 Prozent stagniert. Deshalb stecke in der keineswegs geschlossenen Landespartei auch kein Abweichler den Kopf heraus.

Verdrossen, aber konsequent und auch alternativlos will die Minderheitskoalition dennoch das bisherige Verfahren bei den anstehenden Haushaltsberatungen fortsetzen, also erneut auf die CDU zugehen. Das dafür erforderliche Minimalvertrauen sei schwer gestört, aber nicht zerstört, schätzt Steffen Dittes ein.

Wie die CDU ihre Forderungen finanzieren will, die sich laut Koalition auf eine Dreiviertelmilliarde summieren, muss sie noch erklären. Eine Sabotage des Haushalts könne sie sich wegen der im kommenden Jahr gleichfalls anstehenden Kommunalwahlen aber nicht leisten, meint Madeleine Henfling.

tazzwei