: Abgehängt in Indien: Slums ohne Zugang zu Wasser
In Mumbai hat nur etwa die Hälfte der Einwohnerïnnen einen Wasseranschluss oder eine eigene Toilette. Das Problem: Wassermangel und Verteilungsgerechtigkeit
Aus Mumbai Natalie Mayroth
Als bevölkerungsreichstes Land der Erde spielt Indien eine entscheidende Rolle für das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Derzeit liegt Indien mit 63,45 von 100 Punkten aber noch auf Platz 122 des Rankings der Vereinten Nationen. Der staatliche Thinktank NITI Aayog wurde beauftragt, das Land voranzubringen. Zentral ist dabei das Thema Wasser: Oft gibt es zu viel davon, wie in den Regenmonaten, oder zu wenig, wie im Frühjahr.
Mit 18 Prozent der Weltbevölkerung verfügt Indien nur über 4 Prozent der weltweiten Wasserressourcen. Millionen von Menschen sind von Wasserstress betroffen. Im großen und geografisch vielfältigen Land ist die Wasserversorgung unterschiedlich geregelt. Im Norden ist das Wasser oft hart und kommt aus dem Untergrund. Anderenorts wird Oberflächenwasser aus Stauseen aufbereitet, das im westindischen Mumbai sogar Trinkwasserqualität hat – ein Versorgungssystem das zum Teil noch aus der britischen Kolonialzeit stammt. Dennoch haben nach Expertenschätzungen rund zwei von über 20 Millionen Menschen in Mumbai keinen richtigen Zugang zu Trinkwasser.
Bewohner müssen frühmorgens raus, um Wasser aus dem öffentlichen Hahn in der Nachbarschaft zu holen. Etwa die Hälfte der Einwohner Mumbais hat weder einen eigenen Wasseranschluss im Haus noch eine eigene Toilette. Doch nicht nur der Wassermangel ist das Problem, sondern auch die Verteilung. Pro Kopf rechnet die Stadtverwaltung mit einer täglichen Zuteilung von 135 Litern pro Person in Mietshäusern und 45 Liter für Slumbewohnerïnnen. Deshalb klärt die Nichtregierungsorganisation Pani Haq Samiti Menschen im Westen des Landes über ihr Recht auf Wasser auf. Das klagte sie 2014 vor dem Obersten Gerichtshof in Mumbai erfolgreich als Menschenrecht ein.
Für die Toilettenspülung muss mancherorts selbst mitgebrachtes Wasser verwendet werden. Zu wenig Wasser betrifft also auch die sanitäre Grundversorgung. Gerade in dicht besiedelten Gebieten mit Gemeinschaftstoiletten besteht deshalb ein erhöhtes Risiko für die Verbreitung von Durchfallerkrankungen. Deren Vermeidung hatte in der Pandemie besondere Priorität. Immerhin hat der Bau von Toiletten im Land große Fortschritte gemacht. 2014 machte der indische Premierminister Narendra Modi das zur Chefsache. Doch es braucht nicht nur mehr Toiletten und Wasserversorgung, sondern auch ein Umdenken – und das beginnt so langsam.
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