Petanque-WM im afrikanischen Benin: Königin der Kugeln
Benin richtet die Weltmeisterschaft im Pétanque aus. Der Gastgeber hält sehr gut mit, während die deutsche Mannschaft mit den Umständen kämpft.
Marius Dossa nickt anerkennend. „Gut gespielt“, ruft der Präsident des Royal Pétanque Club (RPC) seinem Teamkollegen zu. Die beiden spielen gerade ein Freundschaftsspiel in der Disziplin Doublette gegen zwei andere Pétanque-Spieler. Es ist Sonntagmorgen in der Stadt Parakou in Benin. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber immerhin regnet es nicht. Für die Pétanque-Spieler, die aus dem ganzen Norden angereist sind, sind das optimale Voraussetzungen. Bevor die Auslosung des Regionalturniers beginnt, spielen sie sich ein. Das Interesse ist groß. Frauen sind nicht unter den Teilnehmenden.
Nabil Gambari, Ehrenpräsident der Liga Borgou Alibori, schaut den Spielern zu. „Pétanque wird bei uns zunehmend populär. Die Sportart hat kein Alter, jeder kann sie spielen.“ Ein Vorteil gegenüber anderen Sportarten sei, dass überall gespielt werden kann, egal ob auf extra abgesteckten Feldern oder auf sandigen Straßen. Auch ist die Ausstattung erschwinglich. Einen Satz Metallkugeln, die viele Jahre halten, gibt es umgerechnet ab 15 Euro. Spezielle Schuhe oder Kleidung sind nicht notwendig. So hat sich Pétanque in Benin zur „Sportart für alle“ entwickelt, die Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen bringt. Es gibt Hobbyspieler:innen, aber auch immer mehr Clubs und Regionalligen.
Gleichzeitig ist es derzeit der einzige Sport, in dem das 13 Millionen Einwohner:innen große Land immer dichter an die Weltspitze rückt. 2016 wurde es im Triplette Vizeweltmeister. Weitere Medaillen folgten nun bei der ersten Heim-WM, die am Wochenende in der Wirtschaftsmetropole Cotonou eröffnet worden ist. Mehr als 30 Nationen nehmen teil. Frankreich, das einst den Boule-Sport in seine Kolonien brachte, hat seine Favoritenrolle bestätigt. Die Franzosen gewannen mit dem Männerduo Gold, aber auch Benin konnte feiern: Silber im Doublette der Männer und Gold im Mixed. Auch Thailand und Kambodscha überzeugten. Die beste Platzierung der Deutschen bis dato: Platz drei im Männerdoppel.
Partystimmung am Platz
Die afrikanischen Teams sind schon längst nicht mehr zu unterschätzen, sagt der deutsche Nationalspieler Moritz Rosik. Deutschland nimmt mit insgesamt acht Spieler:innen an der WM teil. „Ich finde es nicht so einfach, gegen die afrikanischen Mannschaften zu spielen, weil man die Spieler oft nicht kennt und sich taktisch nicht so auf sie einstellen kann. Alle, die hier antreten, können gut spielen.“ Dass Benin Ausrichter ist, hat auch die Möglichkeit geschaffen, dass mehr Mannschaften vom Kontinent teilnehmen können. Sind europäische Länder Austragungsorte, scheitert die Teilnahme immer wieder an den Reisekosten.
Einen klaren Vorteil haben afrikanische Teams jedenfalls: Sie können mit der Partystimmung im Stadion umgehen, das auf dem Platz der Amazone, Benzins 30 Meter hoher Statue im Zentrum von Cotonou, errichtet worden ist. Schon bei den ersten Spielen nach der Eröffnungsfeier feuern Fans und eine Musikgruppe die Spieler:innen an. Punkte werden lautstark bejubelt. Bei Wettkämpfen in Europa geht es vergleichsweise ruhig zu. Pétanque ist eine Präzisionssportart, die hohe Konzentration erfordert.
In Benin soll beides zusammenkommen, hat Sportminister Oswald Homéky mehrfach betont. Die WM war einerseits eine Sportveranstaltung, andererseits sei sie eine „großartige Gelegenheit, der ganzen Welt das neue Gesicht dieses Landes zu zeigen“. Die Regierung von Patrice Talon will seit Jahren den Tourismus ausbauen. International beachtete große Ereignisse kommen da gelegen, und ein reibungsloser Ablauf gilt als zentral. Gleichwohl hatten sich einige Länder gegen die Teilnahme entschieden. Nach dem Staatsstreich im Nachbarland Niger und der Debatte über ein militärisches Eingreifen der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas hatten Sicherheitsbedenken zugenommen.
Beninische Boule-Spieler:innen feiern indes die Wettkämpfe und fühlen sich vor allem geehrt, dass ihr Land die 50. Weltmeisterschaft ausrichtet. In der Pétank Bar von Thierry Gansa, die er 2019 im Stadtteil Fidjrossé errichtet hat, war sie das Gesprächsthema schlechthin. Firmin Aikpa, Tischler und ehemaliger Nationalspieler, will aber mehr als nur Partylaune. Er ist sicher, dass die beninische Nationalmannschaft sportlich auch in Zukunft viel erreichen kann: „Die Vorbereitungen sind wirklich gut gelaufen.“ Das Team hatte vor Wettkampfbeginn ein zweiwöchiges Trainingslager absolviert.
Firmin Aikpa geht davon aus, dass durch die WM das Interesse an Pétanque weiter steigt. „Man spricht immer von König Fußball. Aber jeder König braucht eine Königin. Wir haben unsere gefunden, und sie heißt Pétanque.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient