CDU beim Christopher Street Day nicht willkommen

16.457 Unterschriften lieferte die Volksinitiative gegen das Gendern beim Hamburger Senat ab. Weil die CDU mitsammelte, ist sie von der CSD-Gästeliste geflogen – und fühlt sich missverstanden

Könnten in diesem Jahr auf Misstrauen stoßen: Stelzenläufer in Orange – das ist auch die Parteifarbe der unerwünschten CDU Foto: Georg Wendt/dpa

„Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*feindlichkeit“ lautet das Motto der diesjährigen großen Demo zum Christopher Street Day (CSD) am 5. August, dem Höhepunkt der Hamburger Pride Week, die am Samstag beginnt. Eigentlich ist der CSD auch für die Christdemokraten ein Pflichttermin, doch in diesem Jahr ist die CDU hier nicht willkommen, wurde explizit ausgeladen. In Misskredit gebracht hat sie sich, weil sie Unterschriften für die Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ gesammelt hat. Außerdem lehnt die CDU das von der Ampel-Koalition im Bund geplante sexuelle Selbstbestimmungsgesetz grundsätzlich ab.

Erst am Freitag hat die Anti-Gender-Initiative dem Hamburger Senat 16.457 Unterschriften übergeben – deutlich mehr als die vom Gesetz geforderten 10.000. Damit ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem möglichen Volksentscheid getan. Die Ini­tiative will erreichen, dass das Gendern in Verwaltung und Bildung verboten wird. Allein 3.000 Unterschriften haben die Christdemokraten der Initiative beigesteuert.

Diese Unterstützung erwies sich PR-technisch als problematisch, als das Hamburger Abendblatt die Frontfrau der Initiative, Sabine Mertens, mit der Aussage zitierte, „dass sich normalerweise Männer und Frauen zum jeweils anderen Geschlecht hingezogen fühlen“. Alles andere wäre demnach also anormal. Mit aus Sicht von Mertens fatalen Folgen: „Wenn wir nun alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende.“ CDU-Fraktionschef Dennis Thering erklärte die Aussage noch im März für inakzeptabel.

Das hinderte die beiden Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries und Christoph Ploß nicht daran, Unterschriften für die Initiative zu sammeln. Für die Organisatoren des CSD, der unter dem Namen „Hamburg Pride“ läuft, passt das nicht zusammen: Erst wünsche der Landesvorsitzende im CSD-Magazin per Anzeige „Happy Pride“ und melde Interesse an der CSD-Demo an – und dann überreichten de Vries und Ploß mit viel Medien-Tamtam die Unterschriften „für die homo- und transfeindliche Anti-Gendern-Initiative“.

Dazu komme, dass sich der Landesparteitag erst kürzlich aus seiner Sitzung in Hamburg-Billstedt gegen das Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen habe. Das von der rot-grün-gelben Bundesregierung geplante Gesetz soll es leichter machen, den Geschlechtseintrag zu ändern. Es soll das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das in dem Glauben eingeführt wurde, dass trans Menschen „krank“ seien.

„Wir appellieren an die CDU, sich endlich klar zu positionieren und zu hinterfragen, wofür sie eigentlich steht“, postete Hamburg Pride auf Instagram. Mit ihrem widersprüchlichen Verhalten sei die CDU auf dem CSD am 5. August nicht willkommen. „Der CSD ist eine Demonstration der Akzeptanz und Gleichstellung und wir erwarten, dass nur Organisationen teilnehmen, die diese Werte aktiv vertreten und fördern“, heißt es.

Die CDU reagierte verschnupft. „Die Intoleranz der Veranstalter des CSD ist bedauerlich“, sagte der Landesvorsitzende Thering. Die Partei hätte sich gern mit einem Wagen an der Parade beteiligt. Leider ende die Toleranz einiger Mitglieder von Hamburg Pride, sobald es über einzelne Maßnahmen zur Erreichung der gemeinsamen Ziele Meinungsverschiedenheiten gebe. „Mit derlei Aktionen verspielt man alles, wofür sich die liberalen Kräfte in der CDU einsetzen“, kommentierte der Bürgerschaftsabgeordnete Sandro Kappe. Das sei traurig, aber CDU-Bashing sei eben populär.

Sabine Mertens zeigte sich der taz gegenüber bestürzt über die Ausladung der CDU. „Es trifft mich ins Herz“, sagte sie. „Man kann sich doch für LGBTQI* einsetzen, ohne dass man gendert.“ Politisch ergebe die Ausladung keinen Sinn.

Zur Übergabe der Unterschriften für ihre Initiative waren vor dem Rathaus am Freitag gut 40 Mitstreiter erschienen. Mertens sagte der taz, es gehe nicht darum, etwas zu verbieten, sondern darum, „dass die Regeln eingehalten werden“. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat kürzlich festgestellt, Wortbinnenzeichen wie das Sternchen, der Doppelpunkt oder der Unterstrich gehörten „nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie“, anders als etwa die Konstruktion „Bürger/-innen“.

Mertens kritisiert, das Gendern lasse die Sprache zerfallen und spalte die Gesellschaft. Ihre Initiative setze sich für eine Gemeinschaftssprache ein. Die Sprache müsse auch allgemeine Aussagen ermöglichen, bei denen spezifische Merkmale keine Rolle spielten. Werde gegendert, diene die Sprache nicht der Verständigung, sondern der Gesinnungsprüfung. „Das ist im Grunde eine permanente Demonstration“, so Mertens. Sie erinnere das an Sprachregelungen der DDR wie „antifaschistischer Schutzwall“ für die Mauer. Im Übrigen verbiete es sich, in eine über Jahrhunderte gewachsene Grammatik einzugreifen.

„Wir appellieren an die CDU, sich endlich klar zu positionieren und zu hinterfragen, wofür sie eigentlich steht“

Hamburg Pride

Dem Argument, durch das Gendern schärfe sich das Bewusstsein für gesellschaftliche Ungerechtigkeit, kann sie nichts abgewinnen. „Das hat den Effekt, dass die Leute eher dicht machen“, sagt sie und verweist auf Umfragen, nach denen die meisten Deutschen das Gendern skeptisch sehen.

Im nächsten Schritt prüft der Senat die von Mertens und ihren Mitstreitern eingereichten Unterschriften. Kommt die Volksinitiative zustande, kann die Bürgerschaft den damit verbundenen Gesetzentwurf beschließen. Tut sie es nicht, führt der Senat auf Antrag ein Volksbegehren durch, das im Erfolgsfall in einen Volksentscheid mündet.