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Gedenken an ein SA-Opfer in Friedrichshain

Das Keglerheim in der Petersburger Straße war nach 1933 ein berüchtigter Folterkeller. Eines der Opfer war Bruno Schilter

Wo heute ein Büro- und Geschäftshaus steht, befand sich vor 90 Jahren ein berüchtigter Folterkeller. In der Petersburger Straße 94 sorgte das SA-Stammlokal Keglerheim nach 1933 für Angst und Schrecken unter den Friedrichshainer Antifaschist*innen.

„Es wurde 1933 zum Mörderkeller, in dem hunderte Antifaschisten grausam mißhandelt oder ermordet worden“, steht auf einer Tafel, die am Eingang des Gebäudes angebracht ist. Einer dieser im Keglerheim Misshandelten war der 1906 geborene Bruno Schilter.

Schilter war den Nazis im Stadtteil als KPD-Mitglied bekannt. Am 31. August 1933 saß er nach einem Skatabend mit einem Freund auf einer Bank, als er von SA-Leuten verschleppt wurde. Nach den schweren Misshandlungen im Keglerheim wurde Schilter von der SA an einer nahen Brücke erschossen.

90 Jahre nach den Mord versammelten sich am Dienstagabend knapp 30 An­ti­fa­schis­t*in­nen vor dem ehemaligen Keglerheim. „Niemand ist vergessen“ stand auf den Transparenten. Einen kurzen historischen Überblick lieferte der Historiker Oliver Reschke, der mit dem Buch „Der Kampf um den roten Friedrichshain 1925–1933“ ein Standartwerk über den antifaschistischen Widerstand in dem Stadtteil verfasst hat. Bei seinen Forschungen war der Historiker auf Schilters Name gestoßen.

„Er war keineswegs der einzige, der am 1. August 1933 im Keglerheim misshandelt wurde. Aber nur sein Name ist bisher bekannt“, betont Reschke. Diesen Namen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, ist für den Historiker auch ein antifaschistisches Vermächtnis. Hatte er doch in den Akten Berichte von Schilters Genossen gefunden.

„Nach den uns vorliegenden Beweisen halten wir es für gerechtfertigt, den Genossen Bruno Schilter nachträglich in angemessener Weise am Wohnort und Tatort zu ehren“, hieß es in dieser Dokumentation, die in der DDR verfasst wurde. Doch dieses Vorhaben wurde aus unbekannten Gründen nie umgesetzt. Schilter blieb vergessen.

„Dass zum 90 Todestag erstmals Plakate mit dem einzigen erhaltenen Foto des Naziopfer in den Straßen von Friedrichshain zu sehen waren, ist ein erster Schritt, um ihn dem Vergessen zu Entreißen“, sagte ein Kundgebungsteilnehmer. Die An­ti­fa­schis­t*in­nen wollen mit einem Stolperstein vor Schilters Wohnort in der heutigen Richard-Sorge-Straße dazu beitragen, dass dauerhaft an ihn erinnert wird. Ein Mitorganisator sieht darin auch einen Beitrag gegen rechte Umtriebe heute. Peter Nowak

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