Nächtliche Polizeihelikopter: Die größte Luftratte

Der Hubschrauber der Polizei Berlin ist nahezu im Dauereinsatz. Er fliegt schon für nichtige Anlässe und raubt den Ber­li­ne­r:in­nen den Schlaf.

Polizeihubschrauber

HUb-, Hub-, Hubschraubereinsatz Foto: dpa

Neulich Nacht schrieb mir meine Freundin eine Nachricht: „Der Heli kommt zu dir. Was hast du wieder angestellt?“ Dabei habe ich gar nichts gemacht. Sie wohnt in Friedrichshain, ich in Kreuzberg, und gefühlt pendelt der Polizeihubschrauber jede Nacht zwischen unseren beiden Stadtteilen hin und her.

Wer soll denn bei dem Lärm schlafen? Zumal kurz danach die Amseln loslegen, dicht gefolgt von den Tauben, auch Luftratten genannt. Aber die größte unter den Luftratten ist und bleibt der Polizeihubschrauber vom Typ Eurocopter EC135 T2, der Stolz der Hubschrauberstaffel der Polizei. 389 Einsätze hatte er im vergangenen Jahr, wie die Polizei auf taz-Anfrage mitteilt, in diesem Jahr waren es bis Ende Juni bereits 163.

Und wofür der ganze Lärm? „Der Polizeihubschrauber kann angefordert werden, um einen Tatort aufzuklären oder dessen Umgebung nach flüchtenden Tatverdächtigen abzusuchen“, so die Polizei. Örtlichkeiten könnten so ausgeleuchtet werden, „um am Boden arbeitende Einsatzkräfte gezielt aus der Luft an Einsatzorte heranzuführen“, heißt es in schönstem Beamtendeutsch. „Daten zu den Einsatzanlässen des Polizeihubschraubers sind im automatisierten Verfahren nicht recherchierbar“, heißt es weiter.

Nur in den seltensten Fällen erfährt man etwas über die Einsatzanlässe. Bereits 1982 unkte die NDW-Punkband Foyer des Arts in ihrem Klassiker „Hubschraubereinsatz“ hellsichtig, nur dieser helfe gegen „Handtaschenräuber“ und „Scheinasylanten“: Die Abnahme der Sicherheit/ Im innerstädtischen Bereich/ Und den damit verbundenen Verlust/ Der Aufenthaltsqualität im gesamten City Gebiet/ Und so ist das Gebot der Stunde/ Und das befürworten die Menschen im Lande/ Insbesondere Sie, meine Damen/ Hubschrauber­einsatz, Hubschraubereinsatz

Inzwischen ist das längst Realität: Ende April etwa „bemerkten“ Zivilpolizisten einen Motorradfahrer, der laut Berliner Zeitung mit „deutlich überhöhter Geschwindigkeit über die Stadtautobahn in Richtung Neukölln gefahren sein soll“. „Aufgrund des sehr hohen Tempos wurde der Polizeihubschrauber hinzugezogen.“ Mit Erfolg: Der Verbrecher wurde erwischt! Gegen ihn wird „wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens ermittelt“. So hat die Polizei dank ihres Helis unsere Stadt wieder ein Stück sicherer gemacht. Und mir und anderen den Schlaf geraubt.

Abgesehen von der Lärmbelastung werden zudem 240 Liter Kerosin pro Stunde in die Atmosphäre geblasen – das wären stündlich rund 500 Euro Sprit plus Einsatzstunden. Ganz zu schweigen von der Belastung durch Feinstaub und CO2.

Koalition will mehr

„Eine bewusste Erhöhung der Einsätze ist derzeit nicht vorgesehen“, heißt es zwar in der Antwort der Polizei. Doch die CDU hatte im Wahlkampf – trotz sinkender Kriminalitätsrate – einen zweiten Polizeihubschrauber gefordert. Den jetzigen muss sich die Polizei Berlin nämlich mit der Bundespolizei teilen. Derzeit „prüft“ die Landesregierung laut Koalitionsvertrag „die Anschaffung eines eigenen Polizeihubschraubers für Berlin in dieser Legislaturperiode“.

Leider werden „keine statistischen Erhebungen hinsichtlich der Aufklärungsquote im Zusammenhang mit dem Polizeihubschrauber vorgenommen“. Kann also sein, dass die Polizei auch mit einem zweiten Heli versagt, so wie Mitte Juni: In Schöneberg wurde ein Bewaffneter gesichtet und anderthalb Stunden per Hubschrauber verfolgt. Kein Erfolg, dafür 360 Liter Sprit weg. Zuletzt wurde mit dem Polizeihubschrauber ebenso erfolglos am Südrand von Berlin eine „mutmaßliche Wildkatze“ gesucht – die sich später als Wildschwein herausstellte.

Manchmal wünsche ich mir die Stille der Coronapandemie zurück – zumindest den Anfang, als die Menschen kurz Ruhe gegeben haben und die Tiere aufatmen konnten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

schreibt gern über Historisches, Widerständiges, Antiautoritäres und Punk. Außerdem macht er Podcasts beim Nachrichtenpool Lateinamerika.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.