der leitartikel
: Demokratische Rechte brauchen eine Heimat, niemand aber Kooperationen mit der AfD

Von Sabine am Orde

Im kommenden Jahr könnte es für die CDU düster aussehen. Nicht nur werden in Brandenburg, Thüringen und Sachsen neue Landtage gewählt, in denen die AfD stärkste Kraft werden könnte. In allen ostdeutschen Bundesländern sind auch Kommunalwahlen – weitere Bürgermeisterposten und Landratsämter könnten an die radikal rechte Partei fallen. Es dürfte auch dieses Szenario sein, das CDU-Chef Friedrich Merz zu seinem Versuch brachte, das Verbot der Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene im ZDF-Sommerinterview zu kassieren.

Das ist bekanntlich schiefgelaufen. Die Kritik, vor allem auch aus der eigenen Partei, war groß, Merz musste eine Rolle rückwärts machen und behauptete dreist, er habe nicht gesagt, was er gesagt hatte. Was die Empörung eher vergrößerte. Man kann nun von einem neuen Kommunikationsdesaster sprechen – Merz’ Beschreibung der CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ war noch nicht lange her, ebenso wenig, dass er die Grünen, mit denen die CDU in sieben Ländern regiert, zum „Hauptgegner“ ausrief. Man kann auch von einem strategischen Fehltritt reden, weil Merz die Aufweichung des Zusammenarbeitsverbots in einem Interview rausgehauen hat, ohne seine Partei darauf vorzubereiten.

Aber das Problem ist größer als ein eigenmächtig agierender und schlecht beratener Friedrich Merz, der einen Fehler nicht zugeben kann: Der CDU fehlt ein Konzept, wie sie mit der AfD umgehen will.

Sabine am Orde

ist innenpolitische Korrespondentin der taz, die Grenze zwischen Union und AfD treibt sie schon lange um.

Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass der Partei noch immer eine inhaltliche Selbstvergewisserung fehlt. Die CDU weiß nicht, wofür sie steht. Sie kritisiert die Ampel – etwa beim Heizungsgesetz – schrill, kann aber keine eigenen Lösungsvorschläge vorweisen. Dass ihre Zustimmungswerte stagnieren, die AfD aber zulegt, macht sie noch nervöser.

Die CDU braucht dringend eigene Antworten. Die können durchaus konservativ ausfallen, auch in den Themenfeldern innerer Sicherheit oder Migration – solange sie lösungsorientiert, sachlich durchdacht und am Grundgesetz ausgerichtet sind. Von einem populistischen Wettbewerb mit der AfD samt der Suche nach Sündenböcken und vermeintlich einfachen ­Lösungen sollte die CDU die Finger lassen. Denn das würde am Ende nur bei den extrem Rechten einzahlen.

Solch konservative Positionierungen können und müssen Linke und Linksliberale kritisieren und für die eigenen Vorschläge werben. Der Vorwurf an die CDU, das Geschäft der AfD zu betreiben, sollte dabei sorgsam geprüft und präzise verwendet werden. Wenn Parteien sich unterscheiden und es auch für demokratische Rechte eine politische Heimat gibt, ist das gut für die Demokratie.

Die CDU braucht dringend eigene Antworten. Die können durchaus konservativ ausfallen, auch bei Sicherheit und Migration

Für die CDU ist das manchmal eine nicht ganz einfache Gratwanderung. Auch deshalb muss die Abgrenzung zur AfD stehen, auch und gerade in den Kommunen. Je stärker aber die AfD wird, desto komplizierter wird es; Bürgermeister und Landräte lassen sich nicht einfach ignorieren. Und wer ohnehin mit einer Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei liebäugelt, und davon gibt es gerade in der ostdeutschen CDU einige, wird seine Annäherung als pragmatische Arbeit verkaufen. Aus der Berliner CDU-Zentrale ist das schwer zu verhindern, obwohl seit 2018 ein Parteitagsbeschluss die Zusammenarbeit mit AfD wie Linkspartei untersagt.

Der CDU-Chef weiß das. Seine Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte mit dem gescheiterten Versuch, die Thüringer Landtagsfraktion nach der Wahl des Ministerpräsidenten auch mit Stimmen der AfD zur Besinnung zu bringen, ihre Autorität verspielt. Merz hat wohl auch deshalb versucht, das Zusammenarbeitsverbot auf der kommunalen Ebene wegzudefinieren.

Auch wenn er es inzwischen anders darstellt: Erweckt wurde der Anschein, dass er seinen Segen für die Zusammenarbeit mit der AfD im Lokalen gibt. Damit hat er auch die Kom­mu­nal­po­li­ti­ker*in­nen geschwächt, die sich vor Ort tagtäglich Anfeindungen entgegenstellen. Das Gegenteil wäre richtig und notwendig.

Illustration: Robert Samuel Hanson

Erforderlich ist zudem eine Verständigung innerhalb der CDU darüber, was vor Ort sinnvoll ist. Zum Beispiel: auch bei scheinbar unverfänglichen AfD-Vorstößen wie dem derzeit viel zitierten Kitaausbau eine Mehrheit unter den demokratischen Parteien zu suchen; sich bei eigenen Anträgen und Personalvorschlägen nicht von den Stimmen der AfD abhängig zu machen; und nichts zu tun, was die Agenda der extrem rechten Partei stärkt. Das sind einige der Ratschläge von Ex­pert*in­nen.

Wird die Abgrenzung im Kommunalen aufgeweicht, wird sie auch auf den anderen Ebenen fallen. Nicht nächstes oder übernächstes Jahr. Aber mittelfristig. Das darf nicht passieren.