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Die UN warnen vor steigender Gewalt gegen Kinder im Krieg

Menschenrechtsverletzungen gegen Kinder in Konflikten sind so hoch wie nie zuvor. Auch in der Ukraine werden hohe Zahlen registriert – fast 20.000 Kinder seien bislang nach Russland deportiert worden

Von Gaby Coldewey

Mehr als 27.000 Gewalttaten zählten die Vereinten Nationen (UNO) weltweit laut einem am Mittwoch vor dem UN-Sicherheitsrat in New York vorgestellten Bericht. “So hoch wie nie zuvor“, sagte der stellvertretende Direktor des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Omar Abdi. Dokumentiert wurden Entführungen, Tötungen oder die Rekrutierung von Mädchen und Jungen. Auch in der Ukraine wurde ein starker Anstieg schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen gegen Kinder registriert.

Tausende ukrainischer Kinder sind nach Angaben ukrainischer Behörden seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in die Russische Föderation verbracht worden – die meisten aus Kinderheimen, Internaten und Krankenhäusern. Der Kontakt zu ihren Familien wird häufig eingeschränkt oder ganz abgebrochen. Oft bekommen die Kinder russische Pässe und werden unter Vormundschaft russischer Familien gestellt oder zur Adoption freigegeben. Dadurch wird eine Rückkehr zu den leiblichen Eltern bzw. in die Ukraine erschwert.

Maßgeblich an der Verschleppung der Kinder beteiligt ist die russische Kinderschutzbeauftragte Maria Lwowa-Belowa. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat im vergangenen März gegen sie und Präsidenten Wladimir Putin Haftbefehl wegen rechtswidriger Deportationen ukrainischer Kinder und mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen. Beide müssen nun in 123 Ländern mit einer Verhaftung rechnen. Der Artikel 49 der Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung während eines Krieges verbietet jegliche Deportationen der einheimischen Bevölkerung aus besetzten Gebieten.

Moskau sieht den Sachverhalt naturgemäß anders und rechtfertigt sein Vorgehen. Es handele sich bei der Verbringung der Kinder in die Russische Föderation um eine Evakuierung aus bombardierten Gebieten gemäß der Genfer Konvention. Die Kinder kämen nicht aus besetzten Gebieten, sondern aus von Moskau als unabhängig anerkannten – wie die selbsternannten „Volksrepubliken Donezk und Luhansk“. Russland bemühe sich darum, die Kinder ihren Familien zurückzugeben.

Die Verschleppung wird nicht geheim gehalten. Das russische Fernsehen zeigt Bilder, auf denen ukrainische Kinder in Russland eintreffen. Die 38-jährige Lwowa-Belowa hat selber im Februar einen 15-Jährigen aus Mariupol adoptiert – sie hat bereits fünf leibliche und vier Adoptivkinder. Außerdem haben sie und ihr Mann die Vormundschaft für acht weitere Kinder.

Die ukrainische NGO „Save Ukraine“ hilft ukrainischen Eltern, den Kontakt zu ihren Kindern herzustellen. Mit Hilfe russischer Freiwilliger organisieren sie auch Reisen nach Russland, um ihre Kinder dort persönlich abzuholen. Mühsam, teuer und nicht ganz ungefährlich. Nach ukrainischen Angaben wurden bis Ende Juni knapp 19.500 Kinder deportiert. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weit höher liegen. Nur 373 Kinder konnten bislang in die Ukraine zurückgebracht werden.