Andreas Speit
Der rechte Rand
: Warum die Hamburger AfD in ihren Aussagen zum russischen Angriffskrieg gespalten bleibt

Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt in der AfD auch für deren parlamentarische Vertretungen. Der Hamburger Bürgerschaftsfraktions- und Landesvorsitzende Dirk Nockemann und der Parlamentarische Geschäftsführer und Landesvize Krzysztof Walczak hatten die Bürgerschaftsabgeordnete Olga Petersen abgemahnt, weil sie dem russischen Staatssender „Rossija 1“ ein prorussisches Interview gegen hatte. Diese Abmahnung der Hamburger AfD-Führung sei unzulässig, erklärte jüngst das parteiinterne Landesschiedsgericht.

In der Entscheidung des Schiedsgerichts, die der taz vorliegt, führt der Vorsitzende aus: „Ein Verbot außenpolitischer Äußerungen von Parteimitgliedern, gegen das die Antragstellerin nach Auffassung des Antragsgegners verstoßen habe, besteht nicht.“ Nockemann und Walczak hielten Petersen vor, am 7. Februar bei „Rossija 1“ nicht bloß aufgetreten zu sein. Auch die zu eindeutigen Aussagen störten sie. In dem kurzen Interview mit dem staatseigenen Kanal warnte Petersen den Kreml, sich nicht auf die Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu verlassen, keine Kampfflieger an die Ukraine zu liefern. Denn zu Beginn des Krieges habe die Bundesregierung noch jede Einmischung abgelehnt. Petersen beklagte auch, dass Deutschland sich unabhängig von Erdgas aus Russland machen wolle. Das Interview fand große mediale Beachtung in Deutschland.

Auf sieben Seiten erklärt der Landesvorstand, dass die Bürgerschaftsabgeordnete nicht die Befugnis habe, sich zu „außenpolitischen Angelegenheiten“ zu äußern. Solche Äußerungen würden allein der AfD-Delegation im Europäischen Parlament und der AfD-Fraktion im Bundestag zustehen, hieß es in der Abmahnung, die der taz ebenfalls vorliegt. Es ist eine formale Argumentation gegen Petersen, die in der Fraktion nicht unumstritten ist. Zu rechts ist die 1982 im sibirischen Omsk Geborene, zu nahe steht sie Höcke und Co.

Foto: Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die Kritik verdeutlicht die Hamburger Beschlusslage: Auf dem Landesparteitag am 5. Februar 2023 beschlossen die Mit­glie­der*in­nen eine Resolution, in der sie ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Russland und eine Reparatur der Nord-Stream-Pipelines zur Erdgasversorgung forderten.

In der Abmahnung wurde auf eine E-Mail vom 26. 9. 2022 von Alice Weidel und Tino Chrupalla verwiesen, in der die beiden Bundesvorsitzenden sich zu „Prioritäten“ und Äußerungen von AfD-Mitgliedern zu außenpolitischen Themen äußern. Die Hamburger Führung interpretierte diese Aussage als „Verbot“. Diese Interpretation teilt das Schiedsgericht nicht. „Der E-Mail vom 26.09.2022 von Frau Weidel und Herrn Chrupalla (…) kann allein von ihrer Form keine Anordnung oder Regelung eines Verbots von Äußerungen von Parteimitgliedern zu außenpolitischen Fragen entnommen werden; sie ist lediglich eine Feststellung.“

Der Erfolg von Petersens Widerspruch dürfte die Beziehung zu Nockemann und Walczak nicht entspannen. Ihrem Antrag auf Widerruf und Entfernung der Abmahnung aus allen Unterlagen des Antragsgegners folgte das Schiedsgericht jedoch nicht, denn das Gericht könne „nicht über Leistungsklagen entscheiden“.

Die Hamburger AfD möchte nicht mit radikalen Formulierungen auffallen

Der Konflikt spiegelt vor allem eine Ambivalenz. Im Osten bezieht die AfD im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine offen pro-russische und anti-amerikanische Position, im Westen weniger. Kritik an der Nato wird im Osten ebenfalls lauter angeschlagen. Die Hamburger AfD möchte bei dieser Thematik nicht mit radikalen Formulierungen auffallen, will sie doch bürgerlich konservativ erscheinen.